Hoffnung schwindet

Seit fast zwei Wochen bangt Chile um das Leben von 33 Bergarbeitern, die bei einem Minen­unglück am 5. August verschüttet wurden. Wiederholt wurden die Rettungsarbeiten eingestellt und erst nach massiven Protesten der Angehörigen wieder aufgenommen. Hoffnung, zumindest einige der Arbeiter noch lebend bergen zu können, gibt es praktisch nicht mehr. Nach dem Unglück in der kleinen Gold- und Kupfermine am Rand von Copiapo in der Atacama-Wüste, etwa 850 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago, hatten die Behörden erklärt, die Verschütteten hätten ausreichend Luft, Wasser und Nahrung für etwa 72 Stunden. Trotzdem teilte Bergbauminister Laurence Golborne am Sonntag erneut mit, daß die Arbeiten »für mehrere Tage« eingestellt würden.

Chiles Präsident Sebastián Piñera besuchte mehrmals den Unglücksort und versuchte, die Gemüter zu beruhigen. Die Katastrophe bringt auch seine Regierung in Bedrängnis, zumal der Parlamentsabgeordnete Fidel Espinoza Sandoval von der oppositionellen Sozialistischen Partei am Montag einen Bericht des chilenischen Arbeitsministeriums vorlegte, in dem bereits im Juli auf schwere Sicherheitsmängel in dem betroffenen Bergwerk hingewiesen worden war. Bei einer Untersuchung sei festgestellt worden, daß das Dach der Stollen marode und die Gänge nicht ausreichend befestigt seien, sagte Espinoza dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur. »Der eindeutige Bericht stellt fest, daß diese Tatsachen eine schwere Nichteinhaltung der allgemeinen Sicherheitsbestimmungen an den Arbeitsplätzen darstellen und beinhaltet, daß die Unternehmer keine Maßnahmen ergriffen haben, um das Leben, die Gesundheit und die körperliche Unversehrtheit der Arbeiter zu schützen«, so der Abgeordnete. Dieser Bericht sei von der Regierung verschwiegen worden.

Das Ministerium weist die Vorwürfe zurück. Man habe nach einem ersten Unfall Anfang Juli, bei dem ein Bergmann ein Bein verloren hatte, die Bedingungen in der Mine untersucht. Der nach Angaben des Parlamentariers auf den 9. Juli datierte Bericht sei der Behörde allerdings erst am 6. August übergeben worden, einen Tag nach dem Unglück. Das Unternehmen sei über die Ergebnisse der Untersuchung dann am 10. August informiert worden. Vor diesem Hintergrund verurteilte die linke Wochenzeitung Diario Uno in ihrer aktuellen Ausgabe das Unglück als »Verbrechen« und forderte den »Rücktritt des Ministers und Gefängnis für die Besitzer« der Mine. Auch die sozialistische Senatorin Isabel Allende sieht die Bergwerkseigentümer in der Verantwortung und kritisierte, daß die Unternehmer Alejandro Bohn und Marcelo Kemeny sich bis heute weder öffentlich zu dem Unglück geäußert hätten noch vor Ort erschienen seien, um den Angehörigen der Opfer beizustehen.

Erschienen am 18. August 2010 in der Tageszeitung junge Welt