Hoch die Faust

Nach einer zwölfstündigen hitzigen Debatte hat das katalanische Parlament am späten Mittwoch abend mit den Stimmen der liberal-sozialdemokratischen Regierungsallianz »Junts pel Sí« (Jx Sí, Gemeinsam für das Ja) und der linksradikalen CUP (Kandidatur der Volkseinheit) für den 1. Oktober die Durchführung einer Volksabstimmung über die Abspaltung der Region von Spanien beschlossen. Die Abgeordneten des Bündnisses »Catalunya Sí que es Pot« (CSQP, etwa: Katalonien, Yes We Can), dem die traditionellen katalanischen Linksparteien angehören, enthielten sich der Stimme, während die Fraktio­nen der prospanischen Parteien vor der Abstimmung geschlossen den Saal verlassen hatten. Als Parlamentspräsidentin Carme Forcadell das Ergebnis verkündete – 72 Jastimmen und elf Enthaltungen –, erhoben sich die verbliebenen Abgeordneten und sangen die katalanische Nationalhymne »Els Segadors« – die Mitglieder der CUP mit erhobener Faust.

Noch in der Nacht zum Donnerstag unterzeichneten Ministerpräsident Carles Puigdemont und alle Kabinettsmitglieder das Dekret zur Einberufung der Volksabstimmung. »Wir rufen damit die Bürger unseres Landes zur Entscheidung auf, wie sich Katalonien in Zukunft orientieren soll: auf dem gegenwärtigen Weg der Autonomie oder auf einem neuen Weg als unabhängiger Staat in der Form einer Republik«, erklärte er anschließend vor Journalisten. Niemand habe die Befugnis und die Macht, den Katalanen das Recht auf diese Entscheidung zu verweigern.

In Spanien wird allgemein damit gerechnet, dass das Verfassungsgericht in Madrid in den nächsten Tagen das Referendum verbieten wird. Man werde die Abstimmung aber »so oder so« durchführen, kündigte Puigdemont an.

2014 hatte die katalanische Regierung schon einmal versucht, ein verbindliches Referendum über die Unabhängigkeit abzuhalten, sich damals aber dem Verbot aus Madrid gebeugt. Von den rund fünf Millionen Wahlberechtigten nahmen 2,3 Millionen an der nur noch als informelle »Volksbefragung« durchgeführten Abstimmung teil, gut 80 Prozent von ihnen votierten für die Unabhängigkeit. Der damalige Ministerpräsident Artur Mas und andere Regierungsmitglieder wurden in der Folge wegen »Missachtung des Verfassungsgerichts« angeklagt.

Die CUP, die aktuell mit zehn Abgeordneten im katalanischen Parlament vertreten ist, tritt aktiv für die Unabhängigkeit ein, weil sie sich von der Eigenständigkeit bessere Bedingungen für den Kampf für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung erhofft. Andere linke Parteien stehen in der Frage des Referendums dagegen vor einem Dilemma.

Podemos und die Vereinte Linke (IU) lehnen eine Abspaltung Katalo­niens zwar ab, haben sich jedoch dafür ausgesprochen, dass die Bewohner der Region selbst über ihre weitere Zugehörigkeit zum Königreich entscheiden sollten. Sie verlangen dafür aber eine Vereinbarung zwischen Barcelona und Madrid – die von der spanischen Zentralregierung strikt verweigert wird. Die Sozialdemokraten der PSOE (Spanische Sozialistische Arbeiterpartei) hatten zeitweilig eine Verfassungsänderung ins Gespräch gebracht, um die Abstimmung zu ermöglichen – angesichts der Mehrheitsverhältnisse im spanischen Parlament ist ein solches Vorhaben aber aussichtslos. Am Donnerstag verlangte Podemos-Chef Pablo Iglesias im Gespräch mit dem spanischen Rundfunk Cadena SER ein »Referendum mit Garantien«. Spaniens Ministerpräsident dürfe sich nicht »hinter Gesetz und Verfassung verstecken«, um den »katalanischen politischen Konflikt« beizulegen.

Den regionalen Ablegern der Linksparteien in Katalonien hilft eine solche allgemeine Positionierung allerdings kaum noch – sie müssen konkret über ihr Verhalten am 1. Oktober entscheiden. In der CSQP konnte so in den vergangenen Tagen offenbar nur mit Mühe eine offene Spaltung vermieden werden: Medienberichten zufolge wollte der grüne Flügel das Referendum ablehnen, während der kommunistische es eher unterstützt. Nun ruft man gemeinsam zur Teilnahme an der Abstimmung auf, hält sie jedoch nicht für rechtlich bindend. Es handle sich um eine Demonstration für das Recht, selbst zu entscheiden, wie es in der Vergangenheit schon mehrere gegeben habe.

Erschienen am 8. September 2017 in der Tageszeitung junge Welt