Helfer oder Besatzer

Lateinamerikas Karikaturisten kommentieren die »humanitäre Hilfe« der USA in Haiti eindeutig. »Kuba, Venezuela und Spanien schicken Ärzte, warum schicken die USA Soldaten?«, läßt ein Zeichner einen Haitianer fragen, und dessen Partner antwortet einfach: »Macht der Gewohnheit«.

Viele Haitianer sind hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung, die Soldaten aus dem Norden könnten die chaotische Lage nach dem verheerenden Erdbeben vom 12. Januar stabilisieren, das offiziellen Schätzungen zufolge rund 200000 Menschen das Leben gekostet hat, und der Befürchtung, daß Washington die Naturkatastrophe als willkommener Vorwand dient, um sich in dem Karibikstaat wieder militärisch festzusetzen. Bereits zwischen 1915 und 1934 war Haiti von den USA besetzt gewesen, und auch die von 1957 bis 1986 dauernde Diktatur des Duvalier-Clans war Washington als Gegenpol zum revolutionären Kuba willkommen.

Lateinamerikanische und europäische Regierungen kritisieren, daß die US-Militärpräsenz eine wirksame internationale Hilfe behindere und nicht unterstütze. So sei ankommenden Flugzeugen mit Hilfslieferungen von den US-Soldaten die Landung in Haiti verweigert worden, und auch die von den USA kontrollierten Häfen blieben für aus Venezuela kommende Schiffe mit Hilfsgütern gesperrt. Der Korrespondent der kubanischen Agentur Prensa Latina, Enrique Torres, berichtet aus Port-au-Prince über die ohne Vorankündigung und nur »tröpfchenweise« eintreffenden Lastwagen mit Lebensmitteln: »Hunderte Personen stehen in den Schlangen, in Schach gehalten von den Waffen der Soldaten der UN-Stabilisierungsmission MINUSTAH und anderen Uniformierten. Sie warten in der Hoffnung, daß die Waren nicht ausgehen, bevor sie an der Reihe sind. Es ist eine Odyssee. Oft bekommen diejenigen, die es bis nach vorne schaffen, einen Sack Reis und eine Flasche Öl, aber so ist die Ladung in Minuten aufgebraucht und niemand weiß, ob und wann die nächste Lieferung kommt.«

Erschienen am 30. Januar 2010 in der Tageszeitung junge Welt