Heimkehrer des Tages: Gulbuddin Hekmatjar

Frauen- und Menschenrechte, Sturz der Warlords, ein Ende des Terrorismus und des Mohnanbaus – Ende 2001 machte sich die Bundeswehr zusammen mit den USA und anderen Horten der Zivilisation daran, Afghanistan aus dem Mittelalter zu befreien. Alle Bundestagsparteien – mit einer bekannten Ausnahme – waren sich einig, dass man nach dem 11. September 2001 in bedingungsloser Solidarität an der Seite der USA stehen müsse. Dafür bombardierte man auch mal Zivilisten und beförderte den dafür verantwortlichen Oberst zum General.

Mehr als anderthalb Jahrzehnte später stehen immer noch deutsche Soldaten am Hindukusch, auch wenn sie offiziell nur noch Ausbilder der afghanischen Armee sind. Doch ein vollständiger Abzug gehe gar nicht, verkündet man in Berlin, denn dann würden ja die Taliban wieder das Kommando in Kabul übernehmen.

Brauchen die aber eigentlich gar nicht. Einer ihrer geistigen Geschwister ist am Donnerstag mit einem Konvoi aus Hunderten Fahrzeugen in die afghanische Hauptstadt eingezogen. Gulbuddin Hekmatjar ließ sich von seinen Anhängern feiern, Staatspräsident Aschraf Ghani wollte ihn noch am Donnerstag empfangen.

Hekmatjar zählte zu den führenden Köpfen der »Mudschaheddin«, die in den 80er Jahren gegen die sowjetischen Truppen in Afghanistan kämpften und dafür vom Westen unterstützt wurden. In den 90er Jahren war er mitverantwortlich für die Belagerung Kabuls, bei der ein Drittel der Stadt zerstört und Zehntausende Zivilisten getötet wurden. Seither trägt er den Beinamen »Schlächter von Kabul«. 2001 schloss er sich Al-Qaida an …

Im Februar beschloss der UN-Sicherheitsrat, die wegen solcher Greueltaten verhängten Strafmaßnahmen gegen Hekmatjar aufzuheben. Für den Frieden muss man halt Verbrechen hinnehmen – auch wenn man für deren Beendigung überhaupt erst in den Krieg gezogen war.

Erschienen am 5. Mai 2017 in der Tageszeitung junge Welt