Heiko Maas im Labyrinth

Bundesaußenminister Heiko Maas versucht, den laufenden Staatsstreich in Venezuela mit dem Verweis auf die Gesetze des südamerikanischen Landes zu rechtfertigen. Die versuchte Machtergreifung des Oppositionspolitikers Juan Guaidó, der sich am 23. Januar selbst zum »Übergangspräsidenten Venezuelas« ernannt hatte, stehe »im Einklang mit der venezolanischen Verfassung«, behauptete der SPD-Politiker am Montag in Berlin.

Auch wenn es schwerfällt: Nehmen wir Herrn Maas mal ernst. Der Passus der venezolanischen Verfassung, um den es hier geht, ist Artikel 233. Dieser legt fest, was passiert, wenn ein Staatschef sein Amt nicht übernehmen oder ausüben kann, etwa durch Tod oder Rücktritt. Das ist zwar nicht der Fall, weil Nicolás Maduro ganz offensichtlich regiert. Aber Venezuelas Opposition und mit ihr die Bundesregierung berufen sich darauf, dass die Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr nicht legitim und deshalb ungültig gewesen sei. Damit gebe es keinen gewählten Staatschef, somit sei der Posten seit Beginn der neuen Amtszeit am 10. Januar vakant. Deshalb müsse der Parlamentspräsident das Amt übernehmen.

Wenn das stimmte, dann müsste allerdings auch der zweite Absatz von Artikel 233 angewendet werden. Dieser schreibt vor, dass es im Fall der Vakanz des Postens »neue allgemeine, direkte, und geheime Wahlen« geben muss – und zwar »innerhalb der nächsten dreißig Tage«! Die neue Amtszeit des Präsidenten begann am 10. Januar – die 30-Tage-Frist läuft also am nächsten Sonntag ab. Das wird knapp. Oder nehmen wir das Datum von Guaidós Selbsternennung als Ausgangspunkt, dann muss es Wahlen bis zum 23. Februar geben. Und selbst wenn für uns die Frist erst mit der Anerkennung des »neuen Präsidenten Guaidó« durch die Bundesregierung beginnt, hätte er nur vier Wochen Zeit.

Was aber, wenn der Herr »Übergangspräsident« diese Frist verstreichen lässt? Erkennt Heiko Maas dann den Oppositionsführer, nach dieser Logik Nicolás Maduro, als neuen Präsidenten an?

Es wäre zum Lachen, wenn es nicht ein Spiel mit dem Feuer wäre. Was da in Berlin, Paris, Madrid, Wien und einigen anderen Hauptstädten veranstaltet wird, hat mit Diplomatie und Rechtsstaatlichkeit wenig zu tun. Viel zu tun hat es dagegen mit den Beziehungen zu den USA. Die sind aktuell nicht sonderlich gut, denn der außenpolitische Amoklauf Donald Trumps stört die einträglichen Geschäfte der westeuropäischen Konzerne. Deshalb setzt man einerseits darauf, mit einer Zweckgesellschaft die von Washington gegen den Iran verhängten Sanktionen zu umgehen und die Handelsstreitigkeiten mit China und Russland nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Andererseits versucht man, den Machthaber aus Washington dadurch zu beschwichtigen, dass man die Aggression gegen Venezuela mitmacht. Zumal auch gute Geschäfte winken. Deutsche Unternehmer in Caracas freuen sich bereits ganz unverhohlen auf den »Wiederaufbau«.

Erschienen am 5. Februar 2019 in der Tageszeitung junge Welt