junge Welt, 11. April 2014

Hatz auf Kommunisten

junge Welt, 11. April 2014Offiziell setzt das Regime in Kiew auf Entspannung. Am Donnerstag versprach »Übergangspräsident« Olexander Tur­tschinow den Aktivisten im Osten der Ukraine, die öffentliche Einrichtungen besetzt halten, Straffreiheit, »wenn sie ihre Waffen niederlegen«. Zugleich bekräftigte er, daß die Häuser sonst gewaltsam geräumt würden. Die Krise könne noch friedlich beigelegt werden, so Turtschinow bei einer Rede vor dem Parlament. »Wir garantieren, daß wir keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen sie einleiten.«

 

Statt dessen bereiten die Machthaber offenbar ein Verbot der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU) vor. Deren Generalsekretär Petro Simonenko erklärte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz, der Chef des Geheimdienstes SBU, Walentin Naliwaitschenko, habe seinen Untergebenen die Anweisung erteilt, mit allen verfügbaren Mitteln – einschließlich Fälschungen – eine Dokumentensammlung anzulegen, auf deren Grundlage ein Verbot der KPU begründet werden könne. Simonenko erinnerte daran, daß faschistische Regime die Errichtung ihrer Herrschaft immer mit dem Verbot der Kommunistischen Partei begonnen haben. »Heute wird versucht, ein solches Regime in der Ukraine zu errichten. Daher ist es nicht verwunderlich, daß das herrschende Regime einen erbitterten Kampf gegen die Kommunisten führt.« Unter Berufung auf Informationen eines SBU-Beamten erklärte der Parteichef, die »Führung der radikal-nationalistischen und faschistischen Kräfte« habe die »physische Vernichtung einzelner Mitglieder der Kommunistischen Partei« beschlossen.

In der Nacht zuvor hatten uniformierte Faschisten das Gebäude des KPU-Zentralkomitees verwüstet und in Brand gesteckt. Auf der Straße vor dem Haus im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt wurden rote Fahnen verbrannt und aus den Büroräumen gestohlene Bilder von Marx und Lenin zerstört.

Das Gebäude war seit dem Putsch Ende Februar von antikommunistischen Gruppierungen besetzt gehalten worden. Am Mittwoch hatte ein Gericht jedoch die Rückgabe der Immobilie angeordnet. Als daraufhin Polizisten am Gebäude erschienen, räumten die Besetzer die Büros aus. Kistenweise wurden Unterlagen der Partei sowie technische Geräte abtransportiert. Die Beamten verhinderten den Diebstahl nicht. Simonenko forderte daraufhin eine Untersuchung der Vorgänge und die Bestrafung der Täter.

Gegenüber junge Welt solidarisierte sich der internationale Sekretär der DKP, Günter Pohl, mit den verfolgten Kommunisten der Ukraine. Die Bundesregierung müsse die von ihr mit an die Macht gebrachte und nicht legitimierte Regierung der Ukraine wirksam unter Druck setzen, statt mit Parolen gegen Rußland von der eigenen Mitverantwortung abzulenken. »Die Lage im Osten der Ukraine ist eine verständliche Reaktion auf die Übergriffe im Westen des Landes«, so Pohl.

Unterdessen wachsen die Zweifel an der von Kiew verbreiteten Darstellung der tödlichen Schüsse auf Demonstranten im Februar, die als Rechtfertigung für den Sturz des gewählten Präsidenten Wiktor Janukowitsch gegolten hatten. Gegenüber dem ARD-Magazin »Monitor« erklärte ein an den Untersuchungen beteiligter Ermittler, die ukrainische Sonderpolizei Berkut trage zumindest nicht die Alleinschuld. Auf Videos sei zu erkennen, daß Demonstranten auf dem Maidan auch vom Hotel »Ukraina« aus beschossen wurden, das in der Hand der damaligen Regierungsgegner war.

Erschienen am 11. April 2014 in der Tageszeitung junge Welt