Gute Nachricht

Endlich Frieden für Kolumbien? Die Aufnahme von direkten Verhandlungen zwischen der Regierung in Bogotá und der Guerilla der FARC-EP ist eine gute Nachricht.

Offensichtlich hat sich in der Regierung des südamerikanischen Landes die Einsicht durchgesetzt, daß ein militärischer Sieg über die Aufständischen kaum möglich sein wird. Das ist eine Abkehr von den Fanfaren, mit denen Bogotá bis vor wenigen Monaten noch einen unmittelbar bevorstehenden Sieg über die Aufständischen verkündet hatte. Doch inzwischen hat sich gezeigt: Durch das gezielte selektive Ermorden der führenden Comandantes der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens kann man diese schwächen, aber nicht zerschlagen. Die Regierungstruppen konnten die FARC zurückdrängen, doch der Krieg könnte noch Jahre oder Jahrzehnte weitergehen, ohne daß eine Seite einen entscheidenden Erfolg über die andere erringen würde.

Die Ursachen für den seit mehr als einem halben Jahrhundert andauernden Konflikt in Kolumbien sind auch heute noch soziale. Noch immer ist die Landverteilung extrem ungerecht, machen Todesschwadronen Jagd auf Oppositionelle, werden Gewerkschafter und Linke ermordet, gibt es enge Verbindungen zwischen Drogenmafia, Militär und Staatsapparat, sitzen Tausende politische Gefangene in den Haftanstalten.

Auch wenn Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos es ernst meint – und die wutschäumende Reaktion seines Amtsvorgängers Álvaro Uribe deutet darauf hin –, stehen Kolumbien lange und komplizierte Verhandlungen bevor. Ein Scheitern ist nicht ausgeschlossen. Die Feinde des Friedens stehen oftmals direkt neben Santos. Teile des Militärs, der Wirtschaft und des Staatsapparats sehen im Krieg vor allem ein Geschäft – seien es Schmiergelder aus den Drogenbanden, gute Geschäfte für Rüstungsproduzenten, oder die »stabile Auftragslage« für die Generäle. Großgrundbesitzer profitieren von der Gesetzlosigkeit in den abgelegenen Regionen des Landes, wo sie Proteste der Bauern und anderer Oppositioneller noch immer in Blut ersticken können. Für diese Kräfte wäre nur eine bedingungslose Kapitulation der Guerilla hinnehmbar. Diese jedoch hat ihre Forderung seit Jahrzehnten klargemacht: Frieden ohne soziale Gerechtigkeit ist unmöglich.

Der erreichte Durchbruch zeigt aber auch: Nur, wer die Guerilla als Gesprächspartner akzeptiert, kann einer politischen Lösung näherkommen. Neben Venezuela und Kuba hat sich Norwegen als Vermittler hervorgetan. Oslo hat lange Erfahrungen als neutrale Instanz bei Bürgerkriegen wie etwa in Sri Lanka – und erkennt deshalb seit Anfang 2006 die EU-Terrorliste nicht mehr an. Nach den Anschlägen in den USA 2001 hatte Oslo diese zunächst übernommen, mußte dann aber erkennen, daß sie seine »Dialogrolle erschweren« würde. Auf dieser schwarzen Liste sind auch die kolumbianischen Guerillaorganisationen aufgeführt. Wäre sie heute in Norwegen noch gültig, hätte Oslo nicht mit den Aufständischen reden dürfen, sondern sie verhaften müssen.

Erschienen am 29. August 2012 in der Tageszeitung junge Welt