Gut gemeint

Der Friedensnobelpreis 2016 geht an Kolumbiens Präsidenten Juan Manuel Santos. Das Preiskomitee will damit die Anstrengungen des Staatschefs für eine Beendigung des seit mehr als einem halben Jahrhundert andauernden Krieges in Kolumbien auszeichnen, wie seine Vorsitzende Kaci Kullmann Five am Freitag in Oslo sagte.

Wenn das so gemeint ist: Warum geht der Preis nur an Santos und nicht auch an den Vertreter der anderen Verhandlungspartei, den obersten Comandante der FARC-Guerilla, Timoleón Jiménez? Dieser hat einen mindestens ebensogroßen Beitrag zur Beendigung des Konflikts geleistet.

Der norwegische Parlamentarier Heikki Holmås hatte Anfang des Jahres Santos und Jiménez gemeinsam nominiert. In früheren Fällen hat das Nobelpreiskomitee tatsächlich Friedensabkommen auf diese Weise gewürdigt: 1994 wurden Jassir Arafat, Schimon Peres and Jitzchak Rabin gemeinsam für die Verträge geehrt, mit denen der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern gelöst werden sollte; 1993 wurden Nelson Mandela und Frederik Willem de Klerk für ihren Beitrag zur Überwindung der Apartheid in Südafrika ausgezeichnet.

»Wir sagen nie, wieso jemand den Preis nicht bekommen hat«, verweigerte Kullmann Five eine Begründung dafür, warum nur Santos und nicht auch Jiménez zum Preisträger gemacht wurde. Es darf also spekuliert werden.

Die großen internationalen Massenmedien hatten die FARC über Jahre und Jahrzehnte als »Drogenguerilla« und »Terroristen« verleumdet, denen es schon lange nicht mehr um politische Ziele gehe. Warum die Aufständischen zu den Waffen griffen und warum frühere Friedensprozesse scheiterten, wurde ausgeblendet. Die FARC stehen zudem bis heute auf den »Terrorlisten« der USA, deren Staatschef den Preis 2009 bekam, und der Europäischen Union, die 2012 mit dem Nobelpreis prämiert wurde. Hätte man sich in Oslo dazu durchgerungen, auch einen Vertreter dieser dämonisierten Organisation auszuzeichnen, wäre das ein Signal gewesen – gegen die Hetze der Mainstreammedien und gegen die Manipulation internationaler Abkommen gegen unliebsame Bewegungen. Für ein solches Zeichen fehlte den Damen und Herren die Courage.

So bekommt also Juan Manuel Santos alleine den Preis. Als Verteidigungsminister unter dem damaligen Präsidenten Álvaro Uribe war er verantwortlich für das völkerrechtswidrige Eindringen der kolumbianischen Armee auf das Staatsgebiet Ecuadors am 1. März 2008. Der Angriff galt einem Camp der FARC-Guerilla im Grenzgebiet. Die Aufständischen hatten es dort aufgeschlagen, um die Teilnehmer einer in Quito stattfindenden antiimperialistischen Konferenz zu empfangen und mit ihnen zu diskutieren. Bei der Attacke starben FARC-Sprecher Raúl Reyes und vier mexikanische Studenten. Als Reaktion auf die Grenzverletzung mobilisierten Ecuador und Venezuela ihre Truppen und schickten sie an die kolumbianische Grenze – Santos hätte beinahe einen großen Krieg provoziert.

Das Nobelpreiskomitee will den Preis für den Staatschef als Ehrung des gesamten kolumbianischen Volkes verstanden wissen. Gut gemeint ist eben wieder einmal das Gegenteil von gut gemacht.

Erschienen am 8. Oktober 2016 in der Tageszeitung junge Welt