Großer Schritt

Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe hat vermutlich schon angenehmere Stunden verlebt als am vergangenen Freitag im argentinischen Bariloche. Bei einem außerordentlichen Gipfeltreffen der Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) mußte er seinen elf Amtskollegen aus der Region, die zu der Konferenz angereist waren, Rede und Antwort über die geplanten sieben US-Militärbasen in seinem Land stehen.

Kolumbiens Staatschef bemühte sich, die Stationierung von US-Truppen in seinem Land als Hilfe Washingtons bei der Bekämpfung von Terrorismus und Drogenhandel darzustellen. »Kolumbien, das Opfer dieser Probleme ist, bekommt bei allen Foren Solidaritätserklärungen, aber nur selten gibt es eine praktische Zusammenarbeit. Die Hilfe, die uns die USA gewährt haben, war praktisch und effizient.« Konkret benannte Uribe die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC), die älteste und stärkste Guerillaorganisation des Landes: »Uns bereitet Sorge, daß diese Gruppen nicht ernsthaft als Terroristen behandelt werden, daß ihnen politische Inhalte zugestanden werden, daß manchmal Forderungen aufkommen, sie als Kriegsparteien anzuerkennen. Sie haben Schlupflöcher, aber keine Kontrolle über Gebiete. Uns bereitet Sorge, daß in einigen Reden diese Gruppen als politische Verbündete auftauchen. Uns bereitet Sorge, daß sich diese Gruppen in Gebieten außerhalb Kolumbiens verstecken können, dann kommen, um Verbrechen in Kolumbien zu verüben und sich dann wieder außerhalb verstecken.«

Ecuadors Präsident Rafael Correa, der momentan die Präsidentschaft der südamerikanischen Gemeinschaft ausübt, beantwortete die Argumentation Uribes mit einer detaillierten Präsentation. So erinnerte er daran, daß der von Uribe als Beispiel für frühere »effiziente Zusammenarbeit« von Washington und Bogotá genannte »Plan Colombia« ursprünglich zum Ziel gehabt habe, 50000 Hektar Drogenanbaugebiete zu vernichten, dies sei aber nur bei 10000 Hektar gelungen. Noch immer sei Kolumbien das Land, aus dem 51 Prozent der Kokainproduktion der Region stammen, während in den von Uribe besonders attackierten Ländern Ecuador und Venezuela UN-Angaben zufolge praktisch keine Kokainproduktion existiere. In dieser Hinsicht sei der »Plan Colombia« ganz offensichtlich gescheitert, sagte Correa gegen den wütenden Widerspruch Uribes. Erfolgreich sei der Plan hingegen bei der Bekämpfung der FARC gewesen, erklärte Correa und zitierte kolumbianische Regierungsangaben, wonach die Zahl der aktiven Guerilleros von 22000 im Jahr 2000 auf gegenwärtig 8000 zurückgegangen sei. »Aber wenn das stimmt, wozu brauchen Sie dann die US-Militärbasen?« wendete er diese Zahlen gegen die kolumbianische Regierung und wies die Vorwürfe Uribes zurück, wonach die bewaffneten Gruppen Unterschlupf in den Nachbarländern finden. »Es ist genau umgekehrt«, betonte der offensichtlich ungehaltene Correa anhand einer Karte, auf der die Operationsgebiete der verschiedenen Gruppen im Süden Kolumbiens eingezeichnet waren. »Diese Gruppen dringen nach Ecuador ein, begehen dort Verbrechen, Entführungen, erpressen Schutzgelder.« Deshalb habe Ecuador neben seinen üblichen Grenztruppen mehr als 1500 Sicherheitskräfte in der Region stationiert, um die Bevölkerung zu schützen. Auf der kolumbianischen Seite gebe es dagegen kaum Polizei oder Grenzposten, »und mit bloßem Auge kann man manchmal von Ecuador aus die Lager dieser irregulären Gruppen sehen, ohne daß es dort Präsenz der Sicherheitskräfte gäbe«.

Trotz der konträren Positionen in Bariloche gelang es den versammelten Staatschefs doch, sich auf eine gemeinsame Erklärung zu einigen. In der wird zwar die Einrichtung der US-Stützpunkte in Kolumbien nicht verurteilt. Aber es wird betont, daß Abkommen über eine Kooperation im militärischen Bereich die Souveränität, Integrität und Unverletzbarkeit der Staaten respektieren und das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder beachten müßten. Unasur solle als eine »Zone des Friedens« gefestigt werden, heißt es in dem Dokument.

In der ersten Septemberhälfte sollen die Außen- und Verteidigungsminister der Region zu einer weiteren Konferenz zusammenkommen. Sie werden demnach über gemeinsame Maßnahmen beraten, durch die das Vertrauen zwischen den Staaten gestärkt wird und gemeinsame Sicherheitsanstrengungen unternommen werden können, ohne die Souveränität der einzelnen Länder zu verletzen.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez würdigte nach Abschluß der Beratungen das Gipfeltreffen als einen »großen Schritt der Integration«. Vor zehn Jahren wäre eine solche Zusammenkunft undenkbar gewesen, da es keine Organisation der südamerikanischen Staaten gegeben habe, die zur Diskussion derartiger Probleme hätte einladen können. Auf die momentan »eingefrorenen« Beziehungen zu Kolumbien habe das Treffen jedoch keinen Einfluß gehabt, betonte Chávez, denn es sei unmöglich, daß Kolumbien tatsächlich die Aktivitäten der US-Militärs auf seinem Staatsgebiet kontrollieren könne. Bereits während der Konferenz hatte der venezolanische Staatschef betont, der wirkliche Grund für die Einrichtung der US-Militärbasen in Kolumbien sei die Strategie Washingtons, mit militärischer Macht die Hegemonie über den Kontinent zurückzugewinnen.

Optimistischer zeigte sich Correa, der vor allem hervorhob, daß die Staaten Südamerikas die US-Basen in Kolumbien inspizieren dürfen. Damit habe Unasur Geschichte geschrieben, denn eine solche Inspektion ausländischer Stützpunkte habe es in Südamerika noch nicht gegeben. »Das Treffen war ein voller Erfolg. Es war hart, weil das Thema schwierig war, aber es ist in Harmonie zu Ende gegangen, einstimmig wurde eine Resolution verabschiedet.« Inhaltlich schloß sich Correa jedoch der Kritik seines venezolanischen Amtskollegen an: »Niemand wird kontrollieren können, was die Nordamerikaner in diesen Basen tun«.

Erschienen am 31. August 2009 in der Tageszeitung junge Welt