Gleiche Wurzeln

Am Wochenende kommen 54 Staatschefs aus Afrika und ihre Amtskollegen aus zwölf Staaten Südamerikas auf der venezolanischen Urlaubsinsel Margarita zu ihrem zweiten Süd-Süd-Gipfeltreffen zusammen. Bereits heute tagen dort die Außenminister der teilnehmenden Länder. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen neben den Folgen der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise auch Themen wie die Zusammenarbeit im Bereich des Sports und der Bildung sowie eine stärkere Kooperation auf wissenschaftlich-technischem Gebiet. Venezuelas Präsident Hugo Chávez erinnerte in seinem wöchentlichen Zeitungskommentar an die gemeinsame Geschichte Afrikas und Lateinamerikas, die beide unter der europäischen Kolonialherrschaft gelitten haben. Millionen Sklaven, die aus Afrika auf den amerikanischen Kontinent verschleppt worden waren, haben dort bleibende Spuren hinterlassen. »Auch wir zum Teil Afrikaner«, betont Chávez. »Deshalb gibt es ein natürliches Bündnis, das in der Praxis entschlossen gefestigt werden muß. Unsere Probleme sind dieselben, ihre Gründe und Wurzeln ebenfalls. Gemeinsam haben wir diesen Kontinent schon einmal befreit, und wir werden es wieder tun. In diesem Prozeß werden die Völker des großen Afrika mit uns gemeinsam wieder ihre Heimat und ihre Geschichte befreien. Wenn es etwas gibt, das eine multipolare Weltordnung ankündigt, dann ist dies die Rettung und der Schutz unserer Identität, unserer Geschichte und unserer Welt, der Welt der Armen.« Das sei die Hauptaufgabe des bevorstehenden Treffens, so der venezolanische Präsident.

Unter den Staaten Südamerikas unterhalten derzeit vor allem Brasilien und Argentinien, aber auch Venezuela die engsten Beziehungen zu Afrika. Das brasilianisch-afrikanische Handelsaufkommen stieg in den vergangenen sechs Jahren von fünf auf 26 Milliarden Dollar, der Handel mit Afrika hat einen Anteil von sieben Prozent am gesamten Handelsaufkommen des wirtschaftlich stärksten Landes Südamerikas. Argentinien exportiert vor allem Sojabohnen, Öl, Getreide und Milcherzeugnisse nach Südafrika, Angola und in den Norden des afrikanischen Kontinents. Im Gegensatz dazu ist das Handelsvolumen Venezuelas mit den afrikanischen Staaten gering, denn Venezuelas Hauptexportgut, das Erdöl, muß von den afrikanischen Staaten nicht aus dem fernen Süd­amerika importiert werden. Politisch allerdings ist Venezuela in Afrika sehr präsent. In den vergangenen Jahren wurden mit zahlreichen Staaten des Kontinents erstmals diplomatische Beziehungen aufgenommen, Botschaften und Konsulate eingerichtet oder bestehende Vertretungen vergrößert. Auch im Rahmen der Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC) arbeitet das südamerikanische Land mit Algerien, Angola, Libyen und Nigeria zusammen.

Auf das Gipfeltreffen bereitet sich Venezuela mit einem umfangreichen Rahmenprogramm vor. So fand seit dem vergangenen Sonntag in der Hauptstadt Caracas unter dem Motto »Das Volk auf dem Gipfel« ein großes Afrika-Festival mit Konzerten, Umzügen und politischen Tagungen statt. Die Ergebnisse dieser Konferenzen, bei denen unter anderem über die Lage der Bauern, der Frauen und der indigenen Völker beider Kontinente beraten wurde, sollen den in Margarita versammelten Staatschefs zu Beginn des Gipfeltreffens von Vertretern der sozialen Bewegungen beider Kontinente übergeben werden.

Eine erste Konferenz dieser Art hatte im November 2006 in der nigerianischen Hauptstadt Abuja stattgefunden und war mit der Forderung nach einer Demokratisierung internationaler Organisationen wie der UNO sowie der Zielsetzung einer Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen beiden Regionen zu Ende gegangen.

Erschienen am 25. September 2009 in der Tageszeitung junge Welt