Gipfel gegen Ausbeutung

Cochabamba, die viertgrößte Stadt Boliviens, ist ab dem heutigen Freitag der Schauplatz des siebenten regulären Gipfeltreffens der Bolivarischen Allianz für die Völker unseres Amerikas (ALBA). Dazu werden die Präsidenten der mittlerweile neun Mitgliedsstaaten dieses vor knapp fünf Jahren von Kuba und Venezuela gegründeten Bündnisses erwartet. Bislang mußte lediglich der rechtmäßige honduranische Präsident Manuel Zelaya absagen, der in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa festsitzt. Auch Beobachter wie Paraguays Präsident Fernando Lugo werden in Cochabamba wurden erwartet.

Der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung des bis zum morgigen Sonnabend dauernden Treffens ist die Unterzeichnung eines Abkommens über die Einführung des gemeinsamen Finanzsystems »Sucre«, wie Hugo Chávez am Mittwoch ankündigte. »Eine neue Währung wird geboren«, freute sich der venezolanische Präsident. Ziel sei, diese zunächst nur virtuelle Rechnungseinheit zu einer echten Währung weiterzuentwickeln, die »bald« in Umlauf kommen werde. Boliviens Vizeminister für den Außenhandel, Huáscar Ajata, erläuterte, daß der Sucre bereits ab Januar 2010 den US-Dollar als Buchgeld im Handel zwischen den ALBA-Mitgliedsstaaten ablösen werde. Im Gespräch ist außerdem die Schaffung eines internationalen Schiedsgerichts, mit dem sich das Bündnis von dem zur Weltbank gehörenden Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) abkoppeln will.

Boliviens Präsident Evo Morales hob bei einem Treffen mit Tausenden Bauern in Tiraque, nicht weit vom Versammlungsort entfernt, noch einmal die Bedeutung der Bolivarischen Allianz für den Kampf der Länder Lateinamerikas gegen Ausbeutung und Unterdrückung hervor: »Wir sind eine Gewerkschaft antiimperialistischer Staatschefs, um uns gegen die Privatisierung staatlicher Unternehmen, die Ausplünderung der Naturressourcen und die uns aufgezwungene freie Marktwirtschaft zu wehren, die nur den Kapitalisten und den transnationalen Konzernen nutzen.«

Bereits am gestrigen Donnerstag haben über 700 Vertreter der sozialen Bewegungen und indigenen Völker aus mehr als 40 Ländern Lateinamerikas, Europas, Afrikas und Asiens in Cochabamba ein eigenes Forum begonnen. Wie Isaac Ávalos von der bolivianischen Landarbeitergewerkschaft CSUTCB gegenüber der kubanischen Agentur Prensa Latina betonte, soll es keinen »Gegengipfel« darstellen, wie dies bei den Konferenzen der imperialistischen Mächte der Fall sei. Das Forum der sozialen Bewegungen sei offizieller Bestandteil des ALBA-Gipfels, weshalb die Ergebnisse der Beratungen am Sonnabend im Rahmen einer Großkundgebung mit rund 30000 Menschen den am Spitzentreffen teilnehmenden Präsidenten übergeben werden sollen.

ALBA wurde 2004 von Hugo Chávez und dem damaligen kubanischen Präsidenten Fidel Castro als Bolivarische Alternative gegen das zu dieser Zeit von den USA betriebene Projekt einer gesamtamerikanischen Freihandelszone (ALCA) gegründet. Im April 2006 trat auch Bolivien dem Bündnis bei, dessen Mitglieder auf Initiative von Evo Morales den »Handelsvertrag der Völker« (TCP) unterzeichneten. Eine Antwort auf die veränderte Strategie der USA, die nach dem Scheitern ihres ALCA-Projektes begonnen hatten, Freihandelsverträge mit einzelnen Ländern der Region abzuschließen. In den fünf Jahren seit ihrer Gründung hat sich ALBA zu einem ernstzunehmenden Staatenbündnis gemausert, dem neben den ersten drei Mitgliedern mittlerweile auch Ecuador, Nicaragua, Honduras, Dominica, St. Vincent und die Grenadinen sowie Antigua und Barbuda angehören.

Erschienen am 16. Oktober 2009 in der Tageszeitung junge Welt