Gemeinsam stärker

Im nordbrasilianischen Costa do Sauipe hat am Montag ein Gipfeltreffen Lateinamerikas und der Karibik begonnen, zu dem der brasilianische Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva seine Amtskollegen eingeladen hat, um über die Integration und Zusammenarbeit in der Region zu diskutieren. Wie Brasiliens Außenminister Celso Amorim betonte, ist dies das erste Mal, daß praktisch alle Länder der Region unter sich zusammenkommen, denn weder die USA noch Spanien und Portugal wurden zu der Konferenz eingeladen.

Präsent sind hingegen die verschiedenen neuen und älteren Organisationen zur Zusammenarbeit Lateinamerikas und der Karibik, darunter ältere wie der Gemeinsame Südamerikanische Markt (Mercosur) und die Gemeinschaft der Karibikstaaten (Caricom), aber auch neuere wie die Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) und die Bolivarische Alternative für die Völker Unseres Amerika (ALBA). Trotzdem betonte Gastgeber Lula, daß alle Teilnehmer nur im Namen ihrer jeweiligen Länder sprechen.

Es wird nicht ausgeschlossen, daß mittelfristig aus dieser bislang breitesten Initiative zur regionalen Zusammenarbeit auch festere Strukturen entstehen können. Ecuadors Präsident Rafael Correa hatte bereits vor einigen Monaten die Schaffung einer »OAS ohne USA« angeregt. Die 1948 gegründete und in Washington angesiedelte »Organisation Amerikanischer Staaten« (OAS) gilt vielen Menschen in Lateinamerika wegen der beherrschenden Stellung der Vereinigten Staaten in diesem Verbund als »US-Kolonialministerium«. Tatsächlich waren es gerade in den vergangenen Monaten regionale Organisationen ohne Beteiligung der USA, die regionale Krisen entschärfen konnten. So war es die Rio-Gruppe, ein 1986 aus den Vermittlungsbemühungen in Mittelamerika hervorgegangener Zusammenschluß von 22 lateinamerikanischen Staaten, der nach dem Überfall Kolumbiens auf ein FARC-Lager in Ecuador die akute Kriegsgefahr stoppen konnte. Als im September in Bolivien die Gefahr eines gewaltsamen Sturzes von Präsident Evo Morales drohte, war es die neue Unasur, die sich bei ihrem Gipfeltreffen in Santiago de Chile einstimmig auf die Seite der demokratisch gewählten Regierung stellte.

Erstmals seit seinem Amtsantritt im Februar nimmt der kubanische Präsident Raúl Castro an einem multilateralen Gipfeltreffen außerhalb seines Landes teil. Die Anwesenheit Kubas bei diesem Treffen und die gleichzeitige Abwesenheit der USA haben in ganz Lateinamerika und darüber hinaus für Aufsehen gesorgt, denn seit 1962 ist Kuba aus der OAS ausgeschlossen, was damals auf Druck der USA mit der Unterstützung fast aller Regierungen Lateinamerikas durchgesetzt wurde. Mittlerweile sind es in Südamerika fnur noch wenige Regierungen, die wie Kolumbien und Peru den offenen Schulterschluß mit Washington suchen. Die Regierungen dieser beiden Länder fehlen auch prompt in Brasilien.

Die Rio-Gruppe, die erst vor wenigen Wochen Kuba als Vollmitglied aufgenommen hat, der Mercosur und die Unasur nutzen das Treffen in Costa do Sauipe auch, um parallel ihre eigenen Zusammenkünfte durchzuführen. Vor allem steht der Gipfel aber unter dem Eindruck der gegenwärtigen Finanzkrise, der Preissteigerungen bei den Lebensmitteln, dem Klimawandel und der Zunahme von Naturkatastrophen. In der Abschlußerklärung sollen deshalb konkrete Prinzipien und Maßnahmen beschlossen werden, damit es nicht bei einem einmaligen Treffen bleibt, kündigte Außenminister Amorim an.

Erschienen am 17. Dezember 2008 in der Tageszeitung junge Welt