Geld aus Brüssel

Die »G 20« bestehen nicht nur aus Staaten, auch die Europäische Union ist in Person ihres Kommissionspräsidenten in der erlauchten Runde der Staats- und Regierungschefs vertreten. Das entspricht vor allem der ökonomischen Stärke, die der europäische Block weltweit ausspielen kann. Im Verhältnis dazu ist das politische Gewicht der EU im globalen Maßstab bislang noch überschaubar. Das soll sich ändern, und das Mittel zum Zweck der Einflussnahme ist dabei neben dem Geld wieder einmal das Militär. Soldaten der deutschen Bundeswehr beteiligen sich aktuell an »Militärmissionen« der EU in Somalia, Mali und vor dem Horn von Afrika. Nicht zu vergessen ist die unter dem Kürzel »Eunavfor Med« laufende Jagd auf Flüchtlinge im Mittelmeer.

Die Linke in den EU-Ländern hat bis heute keinen gemeinsamen Umgang mit der Herausforderung Europäische ­Union gefunden. Die Kritik an der neoliberalen Ausrichtung, unsozia­len Struktur und Verbürokratisierung des von außen kaum durchschaubaren Strukturmolochs EU teilen die meisten linken Kräfte. Über die Ablehnung von EU-Verträgen bei Abstimmungen in Frankreich, den Niederlanden oder Dänemark freut man sich gemeinsam. Die Reaktion auf den »Brexit« war dagegen uneinheitlich, wurde das Votum der Briten doch eher als rechtsnationalistisch wahrgenommen, obwohl es auch eine linke Kampagne gegen die EU gegeben hatte.

Die verschiedenen linken Strömungen trennen sich vor allem an der Frage, ob man der EU auch positive Seiten zubilligt – etwa die Überwindung nationalstaatlicher Borniertheit – und sie für progressiv veränderbar hält oder ob sie insgesamt als imperialistisches Konstrukt abzulehnen ist.

Für letztere Linie steht die vor allem um die KP Griechenlands (KKE) gruppierte »Initiative kommunistischer und Arbeiterparteien zur Behandlung europäischer Anliegen und zur Koordination ihrer Aktivitäten«. In ihr haben sich vor allem kleinere marxistisch-leninistische Gruppierungen zusammengeschlossen, die für einen revolutionären Bruch eintreten. Aus dem deutschsprachigen Raum gehört ihr lediglich die Partei der Arbeit Österreichs an. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ist der »Initiative« bislang nicht beigetreten.

Auch der »Europäischen Linken« (EL) gehört die DKP nicht mehr an, nachdem ein Parteitag im Februar 2016 mit großer Mehrheit die Beendigung ihres bisherigen »Beobachterstatus« beschlossen hatte.

Die EL ist heute die sichtbarste linke Kraft auf EU-Ebene. Sie entstand 2004 im Rahmen zweier Kongresse in Berlin und Rom, nachdem progressive Kräfte zuvor im Forum der Neuen Europäischen Linken (NELF) und in der Linksfraktion des Europäischen Parlaments – der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) – zusammengearbeitet hatten. Stärkste Kräfte in der EL sind heute die deutsche Linkspartei, deren langjähriger Vorsitzender Gregor Gysi Ende 2016 zum EL-Chef gewählt wurde, sowie aus Frankreich die Kommunistische Partei. Ursprünglich stark engagiert in der EL war auch die italienische Rifondazione Comunista, die inzwischen aber mehr mit eigenen Problemen zu kämpfen hat.

Als Europapartei im Rahmen der EU-Institutionen ist die EL verpflichtet, sich zu den »Grundsätzen, auf denen die EU beruht«, zu bekennen. Genannt werden in den entsprechenden Richtlinien unter anderem »Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit«. Obwohl diese allgemeinen Schlagworte wohl von keinen Linken in Frage gestellt werden, gibt es bei zahlreichen Kräften die Einschätzung, dass man sich durch die Akzeptanz solcher Vorgaben der EU-Bürokratie unterwirft. Andere gehen damit pragmatischer um, zumal Europaparteien – und damit auch die EL – Anspruch auf Finanzierung aus dem EU-Haushalt haben.

Eine eigene Fraktion im Europaparlament hat die EL allerdings nicht. Dort arbeitet nach wie vor die GUE/NGL, der zwar alle im EU-Parlament vertretenen Mitgliedsparteien der EL angehören, aber auch andere Kräfte wie die irische Sinn Féin oder die baskische EH Bildu.

Erschienen am 23. Juni 2017 in der Tageszeitung junge Welt