junge Welt, 9. September 2011

Gegenoffensive in UNO

junge Welt, 9. September 2011Vor dem Hintergrund des Krieges in Libyen wollen die links­regierten Staaten Lateinamerikas dem Mißbrauch der Vereinten Nationen zur Legitimierung imperialistischer Interventionen nicht länger zusehen. In Caracas kommen am heutigen Freitag die Außenminister der acht Mitgliedsstaaten der Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA) zusammen. Man werde der UNO, der Gruppe der sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika) und der Afrikanischen Union »sehr wichtige Vorschläge« unterbreiten, kündigte Venezuelas Außenminister Nicolás Maduro an. Bei der Eröffnung eines internationalen Seminars des Südamerikanischen Verteidigungsrates, der von dem regionalen Staatenbund UNASUR gegründet worden war, erinnerte Maduro am Dienstag in Caracas daran, daß die Regierungen von Venezuela, Kuba, Nicaragua, Ecuador und Bolivien sowie drei kleinen Karibikstaaten eine Anerkennung des libyschen »Nationalen Übergangsrates« verweigern. »Der Übergangsrat ist eine Einrichtung, die einer brutalen ausländischen Intervention und Besatzung gehorcht«, so Maduro.

Venezuelas UN-Botschafter, Julio Escalona, kündigte gegenüber dem staatlichen Fernsehen VTV eine »Gegenoffensive« an. Gestützt auf ein weltweites Netz von Staaten werde man »alle Aktionen der UNO delegitimieren, die die Interessen der Großmächte gegen die Freiheiten der Völker verteidigen«, so der Diplomat. Als Beispiel für Entscheidungen der Vereinten Nationen, die gegen die Völker gerichtet seien, nannte Escalona die Besatzung des Iraks und Afghanistans und die Intervention in Libyen. Es gehe jedoch nicht darum, die UNO zu verlassen, unterstrich er. Vielmehr werde sein Land Bündnisse innerhalb der Organisation schließen, um dort den Kampf zu führen. »Heute ist der Krieg der Ausgangspunkt in den internationalen Beziehungen. Wenn die Großmächte die politische Schlacht gewinnen, gibt es Krieg. Deshalb müssen wir die Initiative zurückgewinnen und sie politisch in die Ecke treiben, denn militärisch ist das nicht möglich«, unterstrich der Botschafter.

Unterdessen kommen die libyschen Rebellen und die NATO bei ihrer Jagd auf den langjährigen Staatschef Muammar Al-Ghaddafi offenbar nicht voran. Das westliche Militärbündnis flog am Donnerstag erneut Bombenangriffe auf die von den Rebellen belagerte Stadt Sirte, die weiter von Ghaddafi-treuen Truppen kontrolliert wird. Auch in der ebenfalls umzingelten Stadt Bani Walid gab es Gefechte.

Am Mittwoch abend hatte sich Ghaddafi erneut mit einer Audiobotschaft über den syrischen Fernsehsender Arrai zu Wort gemeldet. Darin wies er Berichte zurück, er sei mit einem Fahrzeugkonvoi nach Niger geflohen. Solche Spekulationen seien Teil der »psychologischen Kriegführung«. Ziel des »schwachen und ehrlosen Feindes« sei es, die Moral der loyal zu seiner Regierung stehenden Kämpfer zu unterminieren, so der langjährige Staatschef.

Durch die Mitteilungen Ghaddafis ist der 2006 in Syrien gegründete Fernsehsender Arrai weltweit berühmt geworden. Dessen Chef Mischan Al-Dschuburi erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, er sei zwar gegen »sämtliche Diktaturen«. Sein Sender habe aber auch das Ziel, »gegen Besatzungen« von Ländern zu kämpfen, »sei es die im Irak, in Palästina oder heute in Libyen«. Ghaddafi verkörpere für ihn den »Widerstand des libyschen Volkes gegen die Aggression der NATO«.

Erschienen am 9. September 2011 in der Tageszeitung junge Welt und am 9. September 2011 im Onlineportal Cubadebate.cu