Gefährdeter Frieden

Die zwischen den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) und der kolumbianischen Regierung getroffene Vereinbarung eines endgültigen beiderseitigen Waffenstillstandes markiert einen historischen Einschnitt, der das seit mehr als 50 Jahren andauernde Gemetzel hoffentlich beendet.

Die Zeichen dafür stehen trotz aller Widrigkeiten besser denn je: Bogotá hat sich verpflichtet, Sicherheitsgarantien für die bisherigen Guerilleros abzugeben sowie die Paramilitärs und deren Unterstützer zu bekämpfen. Die FARC ihrerseits legen zwar die Waffen nieder, eine Abgabe »bis zur letzten Pistole«, wie es Staatschef Juan Manuel Santos formulierte, erfolgt aber erst nach Unterzeichnung des endgültigen Friedensvertrages. Dieser könnte nach Informationen aus Verhandlungskreisen noch im Juli abgeschlossen werden.

Der Weg zum Frieden in Kolumbien ist trotzdem noch lang. Nicht nur, dass die Verhandlungen mit der zweitgrößten Guerillaorganisation, der Nationalen Befreiungsarmee (ELN), noch gar nicht richtig in Fahrt gekommen sind. Die Verhaftung eines ELN-Unterhändlers durch die kolumbianischen Sicherheitskräfte in dieser Woche ist ein wenig ermutigendes Zeichen für diesen Teil des Prozesses. Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Feinde des Friedens nach wie vor stark sind. Die Drogenmafia, die ultrarechten Todesschwadronen, Großgrundbesitzer und manche internationalen Multis haben überhaupt kein Interesse daran, dass sich in Kolumbien tatsächlich Recht und Gesetz durchsetzen. Bisher war es an der Tagesordnung, dass unbequeme Gewerkschafter, Bauern, Menschenrechtsaktivisten und andere ermordet wurden – eine Bestrafung der Täter gab es in den wenigsten Fällen. Die Morde des Militärs an unschuldigen Zivilisten, die anschließend als »getötete Guerilleros« präsentiert wurden, und die Verantwortung des Oberkommandos und der Regierung für diese Verbrechen sind bislang nicht aufgeklärt worden. Auch deshalb widersetzt sich Expräsident Álvaro Uribe vehement jedem Kriegsende.

Schon einmal scheiterte ein Friedensprozess, weil die Rechte einen Vernichtungskrieg gegen die entwaffnete Linke führte. Die als Ergebnis des damaligen Abkommens 1985 gegründete legale Partei Unión Patriótica wurde physisch ausgerottet: Zwei Präsidentschaftskandidaten, acht Kongressabgeordnete, 13 Angehörige von Regionalparlamenten, elf Bürgermeister und bis zu 5.000 Mitglieder der UP wurden ermordet. Die Guerilla wurde so gezwungen, zum bewaffneten Kampf zurückzukehren.

Vor allem aber sind die Ursachen, die zu dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg geführt haben, bis heute nicht überwunden. Es waren die soziale Ungerechtigkeit, die ungleiche Verteilung fruchtbaren Landes und die Armut, die Anfang der 60er Jahre dazu führten, dass sich Bauern mit der Waffe in der Hand gegen ihre Unterdrückung wehrten. Wenn diese Ursachen nicht überwunden werden, wird Kolumbien auch weiterhin nicht zum Frieden finden.

Erschienen am 24. Juni 2016 in der Tageszeitung junge Welt