Gedenken an Gewerkschafter

Auch in Augsburg liegen nun »Stolpersteine«. Am Montag verlegte der Künstler Gunter Demnig Gedenktafeln für Hans und Anna Adlhoch, zwei katholische Gewerkschafter, die Widerstand gegen den Hitlerfaschismus geleistet hatten und deshalb von den Nazis verfolgt wurden. Mehr als 100 Menschen waren an das Gebäude der nach den beiden Antifaschisten benannten und der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) nahestehenden Stiftung gekommen, die ihren Privatgrund für die Verlegung zur Verfügung gestellt hatte. Auf städtischem Boden sind die »Stolpersteine« dagegen bislang unerwünscht – der Stadtrat hatte einen ursprünglich von allen Fraktionen mitgetragenen Antrag auf Unterstützung dieser Form der Ehrung im Februar auf unbestimmte Zeit vertagt. Begründet wurde dieser kurz vor den Kommunalwahlen gefaßte Beschluß damit, daß der Rabbi der jüdischen Gemeinde Augsburgs, Henry Brandt, sich gegen die »Stolpersteine« ausgesprochen hatte.

 

Die »Steine des Anstoßes« sind kleine Messingplättchen in der Größe eines normalen Pflastersteins, die Demnig jeweils vor dem letzten Wohnort von Menschen verlegt, die in der Nazizeit Opfer der Verfolgung wurden. Inzwischen finden sich die kleinen Gedenktafeln in Hunderten Städten und Gemeinden Deutschlands und von 17 weiteren europäischen Ländern. Die Gesamtzahl der so in den Straßenboden eingelassenen Platten wird auf rund 45000 geschätzt. In jeder Tafel sind der Name, das Geburtsjahr sowie das Jahr und der Ort der Ermordung des jeweiligen Menschen eingestanzt – von Demnig in Handarbeit hergestellt. »Die Namen zu fräsen, wäre industriell – und Auschwitz war industriell«, begründete der Künstler bei einer Veranstaltung am Sonntag im Augsburger Zeughaus, warum er nicht zu einfacheren Techniken greift. Für jeden Stein gibt es einen »Paten« der die rund 120 Euro für die Gedenkplatte spendet. So haben sich in Augsburg Gewerkschaften, Parteien und Initiativen zusammengefunden, um mehrere ermordete Augsburger dem Vergessen zu entreißen.

Von manchen Kritikern, so auch von Brandt, werden die »Stolpersteine« kritisiert, weil durch diese Form des Gedenkens »auf den Opfern noch einmal herumgetrampelt« werde. Deshalb lehne er eine solche Ehrung für Mitglieder seiner Gemeinde ab, erklärte der Rabbi. Demnig hat für solche Argumente kein Verständnis. Durch sie würden die Verbrechen der Nazis sogar verharmlost, kritisierte er in Augsburg: »Wenn auf den Opfern nur herumgetrampelt worden wäre, würden sie noch leben. Sie wurden aber ermordet.« Auch in den jüdischen Gemeinden Bayerns regt sich Widerspruch. So reiste Terry Swartz­berg vom Vorstand der Münchner »Beth Shalom« eigens nach Augsburg, um bei der erstmaligen Verlegung dabei zu sein. In einer kurzen Ansprache dankte er Demnig, weil die Opfer der Shoah durch dessen Arbeit ihre Namen zurückbekämen und nicht mehr nur Nummern seien. In der Landeshauptstadt verweigern die Behörden bislang ebenfalls diese Form des Gedenkens auf öffentlichem Grund.

Harald Munding, Sprecher der VVN-BdA in Augsburg, zeigte sich im Gespräch mit junge Welt optimistisch, daß die ersten beiden »Stolpersteine« in seiner Stadt Bewegung in die Diskussion bringen könne. Diese Verlegung sei erst der Anfang gewesen. Man werde nun das Gespräch mit den Stadträten suchen, um auch im öffentlichen Raum sichtbar werden zu können. Vertreter mehrerer Fraktionen des Kommunalparlaments hatten am Montag demonstrativ an der Verlegung teilgenommen – nur die Grünen, die im Februar durch ihren Vorstoß die Verabschiedung des Antrags für die Steine verhindert hatten, zeigten sich nicht.

Erschienen am 28. Mai 2014 in der Tageszeitung junge Welt