Ganz demokratisch

Mit der Rückkehr von Manuel Zelaya hat sich die Lage in Honduras schlagartig geändert. Die Tage des Putschistenregimes scheinen gezählt zu sein. Unsicher ist jedoch, welche Konsequenzen sich aus einer Rückkehr Zelayas in das Präsidentenamt ergeben würden. Sein Mandat endet regulär im kommenden Februar, dann würde ein Nachfolger die Präsidentschaft übernehmen. Über diesen soll bei der für den 29. November vorgesehenen Wahl entschieden werden. Bislang laufen die Vorbereitungen für die Abstimmung aber unter völliger Kontrolle der Putschisten. Die beiden linken Kandidaten, die sich dem Staatsstreich vor drei Monaten entgegengestellt haben, wurden mehrfach verhaftet und misshandelt. Für die organisatorische Durchführung der Wahl wären nach den honduranischen Gesetzen dieselben Militärs verantwortlich, die mit ihrem Putsch am 28. Juni die Verfassung des Landes mit Füßen getreten haben.  Freie und transparente Wahlen?

Trotzdem forderte US-Außenministerin Hillary Clinton unmittelbar nach der Ankunft Zelayas in Tegucigalpa, die Abstimmung müsse unbedingt durchgeführt werden. Damit verdeutlichte sie, worum es Washington geht: Die formale parlamentarische Demokratie soll wiederhergestellt werden, Zelaya darf während der ihm verbleibenden Monate im Amt noch den Regierungschef spielen, während die traditionellen Eliten unter sich ausknobeln, wer 'ganz demokratisch' den unbotmäßig gewordenen Präsidenten ablöst. Nur von der Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung soll, bitteschön, nicht mehr die Rede sein. Damit hätte der Putsch sein Ziel erreicht, denn es ging ja gerade darum, den Weg zu einer partizipativen Demokratie zu blockieren.

Doch hat der Staatsstreich einen Effekt gehabt, den weder die Putschisten noch ihre Hintermänner erwartet hatten. Die honduranische Gesellschaft ist politisiert wie lange nicht, Hunderttausende trotzen seit Wochen dem Notstand, den Ausgangssperren und der Gewalt. Für die Widerstandsbewegung geht es längst nicht mehr in erster Linie um die Rückkehr Zelayas, sondern um die Erkämpfung einer wirklichen Demokratie. Es ist schwer vorzustellen, dass die Gewerkschaften, linken Parteien, Frauen- und Studierendenverbände und die vielen spontan aktiv gewordenen Menschen sich nun mit einem Erfolg zufriedengeben, der den durch die Diskussion um eine neue Verfassung und durch den Putsch offengelegten Riss in der honduranischen Gesellschaft nur überschminkt. Denn die eigentlichen Probleme wie Armut, Korruption und Ausgrenzung bleiben dabei ungelöst.

Erschienen am 23. September 2009 in der Tageszeitung junge Welt