Fusion des Tages: Nationalhymne

Jedes Land hat die Nationalhymne, die es verdient. Oder sich zumindest mal verdient hat. Wenn die Franzosen ihre »Marseillaise« singen, dann erinnert das an revolutionäre Zeiten. Oder »Gloria al bravo pueblo«, das im Kampf um die Unabhängigkeit Venezuelas von Spanien entstand und bis heute mit Inbrunst im ganzen Land gesungen wird. In China ist mit dem »Marsch der Freiwilligen« ein Lied der kommunistischen Partisanen offizielle Hymne der Volksrepublik. Und die Briten hoffen ergriffen darauf, dass Gott ihre Königin schütze.

Hierzulande gilt trotz aller Entnazifizierung noch immer das Deutschlandlied als Hymne, das schon bei Kaiser und Nazis für die rechte Stimmung gesorgt hat. Gesungen wird heute offiziell zwar nur die dritte Strophe – doch Konrad Adenauer hatte es abgelehnt, tatsächlich nur »Einigkeit und Recht und Freiheit« zur Hymne zu erklären. Also ist auch »Deutschland, Deutschland über alles« Teil der deutschen Staatsräson – »von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt«.

Das wird wohl auch so bleiben, obwohl jemand eine Petition an den Bundestag gerichtet hat, künftig eine Verbindung aus Deutschlandlied und »Auferstanden aus Ruinen« zu singen. »Die jetzige Hymne klingt schleppend, gerade zu einschläfernd«, schreibt der Antragsteller, wohingegen die Hymne der DDR »hoffnungsvoll und antreibend« sei. Der Mensch ist kompromissfähig: Von der DDR-Hymne sollen nur die ersten zwei Strophen gesungen werden, während »Einigkeit und Recht und Freiheit« als dritte dienen soll.

Bis zum 1. März kann die Eingabe unterzeichnet werden. Wenn 50.000 Unterschriften zusammenkommen, würde das Anliegen im Petitionsausschuss des Bundestages öffentlich beraten werden. Damit sieht es mau aus: Bis Mittwoch hatten erst gut 30 Menschen den Vorschlag unterstützt. Deutschland behält also die Hymne, die es verdient.

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Erschienen am 16. Februar 2017 in der Tageszeitung junge Welt