Fünf Millionen Mails

Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat am Montag begonnen, interne E-Mails des privaten US-amerikanischen Nachrichtendienstes Stratfor zu veröffentlichen. Der Schriftverkehr stamme aus der Zeit von Juli 2004 bis Dezember 2011, teilte der Dienst mit. Stratfor war Ende vergangenen Jahres Ziel eines Hackerangriffs geworden. Die dabei erbeuteten Daten leiteten die Angreifer offenbar an Wikileaks weiter.

Stratfor verurteilte die Veröffentlichungen als »bedauerlichen, unglücklichen und illegalen Bruch der Privatsphäre« und warnte, der Inhalt einiger veröffentlichter Dateien könne verfälscht sein. Man selbst werde zu deren Inhalt keine Stellung nehmen.

Wie bei früheren Gelegenheiten stützt sich Wikileaks bei der Analyse und Veröffentlichung der Dateien wieder auf Medien aus aller Welt. Dabei blieben einstige Partner wie der britische Guardian oder der deutsche Spiegel diesmal außen vor. Die Plattform hatte diesen vorgeworfen, bei der Verbreitung der im November 2010 veröffentlichten Depeschen des US-Außenministeriums getroffene Vereinbarungen verletzt zu haben. Deshalb hofft man nun etwa auf die spanische Tageszeitung Público, die mexikanische La Jornada, den US-amerikanischen Rolling Stone oder den Norddeutschen Rundfunk (NDR).

Welche Relevanz die Enthüllungen haben werden, bleibt abzuwarten. Auf einige Großkonzerne könnten zumindest peinliche Fragen zukommen. So geht aus einer von Wikileaks veröffentlichten Stratfor-Kundenliste hervor, daß Computer- und Erdölunternehmen wie Dell, Chevron oder Intel Zehntausende Dollar an den Dienst gezahlt haben sollen. Enge Beziehungen wurden offenbar auch zur Investmentbank Goldman Sachs gepflegt. Die US-Luftwaffe und die Marines stehen ebenfalls auf der Liste.

Den verbreiteten Informationen zufolge gehört auch der Coca-Cola-Konzern zu den Klienten. Von dem Hersteller der süßen Limonade wurde Stratfor offenbar im Vorfeld der Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver beauftragt, die Tierrechtsorganisation PETA zu überwachen, um deren Aktivisten rechtzeitig erkennen zu können. Für die Chemieriesen Dow Chemical und Union Carbide behielt Stratfor Umweltaktivisten im indischen Bhopal im Blick, die sich für eine Entschädigung der Opfer der dortigen Chemiekatastrophe von 1984 engagieren.

Erschienen am 28. Februar 2012 in der Tageszeitung junge Welt