Friedensschluss in Kuba

In Kolumbien steht das Ende des jahrzehntelangen Krieges zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla unmittelbar bevor. Am Mittwoch abend (Ortszeit) verkündeten die Unterhändler beider Seiten in Havanna, dass sie ihre seit 2012 in der kubanischen Hauptstadt geführten Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen haben, der Friedensvertrag sei unterschriftsreif. Beide Seiten sehen sich als Sieger: Der Abgesandte des kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos, Humberto de la Calle, erklärte, »die beste Weise, den Krieg zu gewinnen« sei es gewesen, »uns hinzusetzen und über den Frieden zu sprechen«. Iván Márquez, der Leiter der FARC-Delegation, sprach davon, dass man »die schönste aller Schlachten« abgeschlossen habe: »Wir werden Frieden haben, wenn die Abkommen eingehalten werden.«

Der Friedensvertrag umfasst die in den vergangenen vier Jahren erreichten Einzelabkommen über eine Agrarreform, Maßnahmen zur Beseitigung der Drogenkriminalität, zur Entschädigung der Opfer sowie zur Wiedereingliederung der Guerilla in das zivile Leben. Besonders heikel war die Frage, wie die Beendigung des Krieges und die Umwandlung der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens zu einer legalen Partei im Detail vor sich gehen sollen. Die FARC sind gewarnt, denn in den 1980er Jahren gab es schon einmal den Versuch, die Organisation zu legalisieren. Paramilitärs und Drogenbanden entfesselten jedoch einen Vernichtungskrieg gegen die dazu gegründete Partei Unión Patriótica (UP), dem bis zu 5.000 Mitglieder zum Opfer fielen. Die FARC sahen sich daraufhin gezwungen, zum bewaffneten Kampf zurückzukehren.

»In den nächsten Tagen«, so Iván Márquez, werde in Kolumbien eine nationale Konferenz der Aufständischen stattfinden, bei der die FARC-Basis dem in Havanna erreichten Vertrag zustimmen soll. In kolumbianischen Medien kursiert, dass sich etwa zehn Prozent der Kämpfer dem Abkommen widersetzten. »Das wären rund 1.000 Leute – ich glaube nicht, dass es so viele sind«, sagte dazu im Gespräch mit junge Welt in Bogotá der Chefredakteur der kommunistischen Wochenzeitung Voz, Carlos Lozano. Bislang hat sich lediglich ein Teil der »Ersten Front« der FARC öffentlich gegen den Friedensvertrag ausgesprochen.

Das Abkommen sieht vor, dass sich die Guerilla nach Abgabe ihrer Waffen als politische Partei konstituieren darf. Dazu muss sie alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen, etwa ein Programm und ein Statut verabschieden. Lediglich die Vorschrift, dass sie bei den Parlamentswahlen drei Prozent der Stimmen erhalten haben muss, um als Partei registriert zu werden, wurde ausgesetzt. Um ihre parlamentarische Vertretung zu garantieren, stehen der Guerilla in den nächsten beiden Wahlperioden ab 2018 und 2022 jeweils fünf Mandate im Senat und im Abgeordnetenhaus zu.

Am 2. Oktober sollen die Bürger Kolumbiens in einem Referendum über das Kriegsende entscheiden. Um Zustimmung werben neben der Regierung Linksparteien, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen. Das Lager der Gegner wird von Expräsident Álvaro Uribe angeführt, der seinem Nachfolger und früheren Verteidigungsminister Santos vorwirft, das Land an die Guerilla zu verkaufen. In den Umfragen liegen beide Seiten bislang nahezu gleichauf. Zuletzt sah die Tageszeitung El Tiempo die Unterstützer des Abkommens mit gut 32 Prozent vorne, die Gegner kamen auf knapp 30 Prozent, während sich etwa 27 Prozent enthalten wollen.

Erschienen am 26. August 2016 in der Tageszeitung junge Welt