Freiheit für Lula!

In Brasilien wurde am Freitag mit der Inhaftierung des früheren brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva gerechnet. Tausende Menschen versammelten sich vor dem Gebäude der Metallarbeitergewerkschaft in São Bernardo do Campo im Bundesstaat São Paulo – ein symbolträchtiger Ort, denn dort war der frühere Metallarbeiter Lula als Gewerkschafter aktiv. Am Freitag um 19 Uhr Ortszeit sollte eine Kundgebung beginnen, zu der auch der Expräsident erwartet wurde.

Der Termin der Demonstration war eine offene Herausforderung, denn in der Nacht zum Freitag war Lula von Untersuchungsrichter Sérgio Moro aufgefordert worden, sich am Freitag bis 17 Uhr bei der Bundespolizei in Curitiba – rund 400 Kilometer entfernt von São Bernardo – einzufinden, um eine Haftstrafe von mehr als zwölf Jahren anzutreten. Im dortigen Gefängnis sei bereits eine Zelle für den Politiker der Arbeiterpartei (PT) hergerichtet worden, meldeten brasilianische Medien. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof Brasiliens am Donnerstag mit sechs zu fünf Stimmen einen Antrag Lulas auf Haftverschonung abgelehnt und so das in der Verfassung verankerte Recht des Angeklagten ignoriert, bis zu einem endgültigen Urteil in Freiheit zu verbleiben.

Moro hatte den Politiker im Juni 2017 wegen Geldwäsche und Korruption zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Im Prozess wurde Lula unterstellt, im Gegenzug für politische Entscheidungen während seiner Amtszeit von einem Baukonzern ein Luxusappartement erhalten zu haben. Das Verfahren war jedoch eine Farce: Lula hat die Wohnung in Guarujá an der Küste des Bundesstaates São Paulo nachweislich weder jemals besessen noch genutzt. Ebenfalls konnte kein Amtsakt nachgewiesen werden, der mit den Anschuldigungen in Verbindung steht. Trotzdem setzte im Januar ein Berufungsgericht in Porto Alegre das Strafmaß noch weiter herauf, so dass Lula nun zwölf Jahre und einen Monat hinter Gitter soll.

Durch die juristische Verfolgung soll in erster Linie verhindert werden, dass Lula bei den im Oktober anstehenden Präsidentschaftswahlen antreten und wieder zum Staatschef gewählt werden kann, wofür die Chancen den Umfragen zufolge gut stünden. Der Freiheitsentzug ist die Voraussetzung dafür, Lula das passive Wahlrecht zu entziehen. So wird der institutionelle Staatsstreich fortgesetzt, durch den 2016 Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff gestürzt und die demokratisch nicht legitimierte Regierung von Michel Temer installiert wurde. Seither hat Brasilien innen- und außenpolitisch eine scharfe Wende nach rechts vollzogen. Die neoliberalen »Reformen« des Regimes werden von starker Unterdrückung der sozialen Bewegungen bis hin zu Morden an Aktivistinnen und Aktivisten flankiert. Im Bundesstaat Rio de Janeiro wurde die Staatsmacht unter dem Vorwand der Bekämpfung der Drogenkriminalität per Dekret direkt an das Militär übertragen. Zudem drohten hohe Offiziere offen mit einem Putsch, sollte Lula kandidieren können und zum Präsidenten gewählt werden. Folgen hatte das für die Uniformierten nicht.

Die drohende Inhaftierung Lulas hat international ein großes Echo hervorgerufen. In einem gemeinsamen Statement verurteilten die Linksfraktionen des Europa- und des Lateinamerikanischen Parlaments die Verfolgung der fortschrittliche Kräfte in Brasilien und forderten eine Beilegung der Krise durch freie und demokratische Wahlen, von denen Lula nicht ausgeschlossen werden dürfe. Venezuelas Regierung wünschte dem »Genossen Lula« am Donnerstag in einer offiziellen Erklärung Kraft gegen die »groteske Ungerechtigkeit« und zeigte sich überzeugt, »dass eher früher als später durch das entschlossene Handeln des Volkes die Demokratie nach Brasilien zurückkehren wird«. Kubas Außenministerium verbreitete am Freitag über Twitter einen Kommentar der Tageszeitung Granma: »Das ›Verbrechen‹, für das sie Lula verurteilen, ist das ›Verbrechen‹ der Linken, für das sie auch Dilma Rousseff, Nicolás Maduro, Evo Morales, Cristina Fernández und jede andere Führungspersönlichkeit verurteilen wollen, die nicht bereit ist, niederzuknien und die Befehle des Nordens auszuführen«. Boliviens Präsident Evo Morales erklärte, die Oligarchie interessiere weder Demokratie noch Gerechtigkeit. Die Rechte werde Lula niemals vergeben, »dass er 30 Millionen Arme aus dem Elend befreit hat«.

Verfasst gemeinsam mit Peter Steiniger

Erschienen am 7. April 2018 in der Tageszeitung junge Welt