Freibier für Nazigegner

Der bayerische Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl will der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) ein Faß Bier spendieren, wenn sie aus dem Verfassungsschutzbericht des Freistaates gestrichen wird. Das versucht der Vertreter der »Freien Wähler« jedoch mit aller Macht zu verhindern, denn die antifaschistische Organisation stehe zu Recht in dem jährlich erscheinenden Buch – geführt unter der Rubrik »DKP-Umfeld«. Bei einer von der VVN organisierten Podiumsdiskussion stellte er sich am Freitag in Augsburg der Debatte mit Ernst Grube, der das KZ Theresienstadt überlebte und heute dem bayerischen Landesvorstand der VVN angehört, sowie dem SPD-Landtagsabgeordneten Harald Güller und der Münchner Rechtsanwältin Angelika Lex, die vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof durchsetzte, daß das Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle a.i.d.a. nicht länger als »linksextremistisch« denunziert werden darf. Moderator Harald Munding, Sprecher der Augsburger VVN-BdA, hatte die Hoffnung ausgedrückt, hoffentlich bald gemeinsam die Streichung seiner Organisa­tion aus dem Verfassungsschutzbericht feiern zu können, woraufhin sich Pohl dann zu dem Freibierversprechen hinreißen ließ.

Das war aber auch sein einziges Entgegenkommen. Vor etwa 50 Zuhörern warf Pohl seinem Parlamentskollegen Güller vor, mit der im September beschlossenen Aufhebung ihres seit 1948 bestehenden Unvereinbarkeitsbeschlusses gegen die VVN habe die SPD lediglich ein Hindernis aus dem Weg räumen wollen, um gemeinsame Regierungskoalitionen mit der Linkspartei bilden zu können. Das wies Güller zurück und kritisierte seinerseits, Pohl wolle nicht wahrhaben, daß sich sowohl die politische Lage als auch die SPD und die VVN seit damals verändert hätten. Zugleich sprach sich Güller für eine Beendigung der Überwachung der VVN durch den Verfassungsschutz aus. In der VVN, der er selbst angehöre, sei man sich über sonstige politische Differenzen hinweg einig, Widerstand gegen rechtsextremistische und neofaschistische Positionen leisten zu müssen. Wenn er den Eindruck hätte, daß die VVN »von Kommunisten durchsetzt« sei, wie es Pohl behauptete, dann wäre er sicherlich nicht Mitglied dieser Organisation. Aber es könne nicht sein, Kommunisten, die für ihre Überzeugungen verfolgt wurden, vom gemeinsamen Kampf gegen Nazis auszuschließen.

Auch Ernst Grube erinnerte daran, daß es Kommunisten gewesen seien, die ihn nach dem Faschismus aufgenommen hätten und von denen er viel gelernt habe. Das provozierte Pohl zu der Aussage, es sei ein »Versagen der Demokraten« gewesen, daß Grube niemanden anders als »die linken Rattenfänger« gefunden habe, um sich zu engagieren. Überhaupt fehle ihm bei der VVN die »Abgrenzung zum Linksextremismus«. Damit stieß er bei seinen Mitdiskutanten auf Unverständnis. Anwältin Lux, die Mitglied der Grünen ist, erinnerte daran, wie sie Anfang der 90er Jahre einer Verhandlungsdelegation ihrer Partei angehörte, die mit der Münchner SPD eine Koalition in der Stadt auslotete. Damals hätten die Sozialdemokraten verlangt, in der Präambel des Koalitionsvertrages einen Passus aufzunehmen, wonach sich die Grünen von Gewalt distanzierten. »Das haben wir verweigert«, so Lux, denn es sei absolut unsinnig, Distanzierungen von etwas zu verlangen, das mit einem absolut nichts zu tun habe. Das gelte auch für die VVN. Grube seinerseits berichtete, wie er in Bündnisgesprächen mit Sozialdemokraten, Liberalen, Parteilosen und auch Autonomen um ein gemeinsames Vorgehen gegen neofaschistische Provokationen ringe. Dabei falle es den »jungen Leuten« schwer zu verstehen, warum die Polizei immer wieder Proteste gegen die menschenverachtenden Parolen der Rechtsextremisten verhindere. In der Folge griffen manche zu Aktionsformen, »die ich nicht teile«. Aber wichtig sei, darüber mit ihnen zu diskutieren, »denn die jungen Menschen, die gegen rechts protestieren, gehen immerhin nicht los und zünden Wohnungen von Ausländern an«. Es sei ein Unterschied, ob man von der grundsätzlichen Gleichheit aller Menschen ausgehe – was alle Linken über alle sonstigen Differenzen eine –, oder aber von »höherwertigen« oder »minderwertigen« Menschen ausgehe.

Die VVN-Veranstaltung war Teil der jährlich von der Augsburger Friedensinitiative (AFI) zusammen mit zahlreichen Bündnispartnern organisierten Friedenswochen. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe war am Abend zuvor auch jW-Chefredakteur Arnold Schölzel im Augsburger Hans-Beimler-Zentrum zu Gast, um dort mit rund 35 Gästen über Medienmanipulationen und die Aufgaben der alternativen Presse zu diskutieren.

Erschienen am 24. November 2010 in der Tageszeitung junge Welt