junge Welt, 9. Juli 2011

Flugverbotszone Europa

junge Welt, 9. Juli 2011Die israelische Regierung hat am Freitag auf zahlreichen europäischen Airports für Chaos gesorgt. Tel Aviv hatte mehreren Fluggesellschaften eine Liste mit den Namen von 342 Personen zugestellt, die »unerwünscht« seien. Den Airlines wurde angedroht, daß sie diese Menschen sofort auf eigene Kosten wieder zurückbringen müßten. Außerdem würde sich der Abflug von Maschinen aus Tel Aviv verzögern. Lufthansa, Easy­Jet und andere Unternehmen beugten sich den Drohungen der israelischen Regierung und verweigerten in zahlreichen Flughäfen Europas insgesamt rund 200 Menschen das Einchecken. In Paris kam es daraufhin zu lautstarken Protesten. Eine Gruppe von etwa 50 Menschen besetzte den Abfertigungsbereich der Lufthansa, nachdem diese ihnen die Abreise nicht gestattet hatte.

In Berlin ließ die Lufthansa Cynthia Beatt nicht an Bord. Gegenüber junge Welt zeigte sich die Filmemacherin, die Wert darauf legte, keine »Aktivistin« zu sein und keiner Gruppe anzugehören, tief enttäuscht und entsetzt über das willkürliche Vorgehen Israels. Ihr seien keine Gründe genannt worden, warum sie nicht an der Reise teilnehmen dürfe. Jemandem, gegen den nichts vorliege, das Betreten des Landes zu verwehren, hätte sie eher in Diktaturen »wie früher in Argenti­nien oder Brasilien« erwartet. Sie habe schon lange Palästina besuchen und nun die Gelegenheit wahrnehmen wollen, dies mit einer großen Gruppe zu tun. Man habe Israel lediglich als Transitland nach Palästina durchfahren wollen. Beatt will gegen das grundlose »Anschwärzen« ihrer Person durch Tel Aviv juristische Maßnahmen ergreifen.

Trotz der massiven Vorkehrungen gelang es einigen im Verlauf des Freitag doch noch, den internationalen Flughafen »Ben Gurion« in Tel Aviv zu erreichen, der von rund 600 zusätzlichen Polizisten abgeriegelt worden war. Dutzende Menschen, die als Ziel ihrer Reise Palästina angaben, wurden von den Grenzbehörden festgenommen und sollten abgeschoben werden. Auch fünf israelische Menschenrechtsaktivisten, die mit Schildern die Ankommenden »in Palästina« begrüßen wollten, wurden verhaftet.

Die Aktion »Willkommen in Palästina« war von zahlreichen Solidaritäts- und Menschenrechtsorganisationen vorbereitet worden. Die einzige »Provokation« sollte darin bestehen, daß die Ankommenden gegenüber den israelischen Behörden Palästina als ihr Reiseziel angeben sollten – und nicht Israel, wie sonst zur Vermeidung von Schwierigkeiten üblich. Für Israels Sicherheitsminister Yitzhak Aharonowitz stellten diese Touristen hingegen »Gesetze brechende Hooligans« dar, wie er von Medien seines Landes zitiert wurde.

Unterdessen setzt die Gaza-Freiheitsflottille ihre Versuche fort, sich doch noch auf den Weg in das von Israel abgeriegelte Palästinensergebiet machen zu können. Die schwedisch-griechisch-norwegische »Juliano« fuhr weiter durch griechische Hoheitsgewässer nach Süden und sollte am Freitag abend den Hafen von Chania auf Kreta erreichen. Zuvor hatte sich die Verwaltung der Insel Kythira, wo die »Juliano« die Nacht zum Freitag verbracht hatte, mit der Flottille solidarisch erklärt und der Besatzung ein symbolisches Paket mit Medikamenten zum Transport nach Gaza übergeben. Spanische Aktivisten hielten auch am Freitag die Botschaft ihres Landes in Athen besetzt, um eine Aufhebung des Auslaufverbots für ihr Schiff »Gernika« zu erreichen.

Erschienen am 9. Juli 2011 in der Tageszeitung junge Welt und am 9. Juli 2011 bei IRIB World Service