Für längere Amtszeit

Mehrere hunderttausend Menschen haben am Donnerstag (Ortszeit) im Zentrum von Caracas ihre Unterstützung für den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez und die angestrebte Verfassungsänderung demonstriert. Mit der Großkundgebung schlossen die Unterstützer der Regierung ihre Werbekampagne für das am Sonntag stattfindende Referendum ab. Fast 17 Millionen Menschen sind aufgerufen, über die Abänderung von fünf Artikeln des Grundgesetzes abzustimmen. Bislang beschränkt die Verfassung die Möglichkeit auf eine Wiederwahl von Amtsinhabern der verschiedenen Ebenen auf ein einziges Mal. Dadurch könnte zum Beispiel Chávez bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2012 nicht mehr antreten.

Chávez zeigte sich bei der Kundgebung überzeugt, daß eine deutliche Mehrheit am Sonntag für die Verfassungsänderung stimmen wird. Der Präsident bedauerte, daß er aufgrund der Vorschriften des Nationalen Wahlrates (CNE) in den letzten Tagen vor der Abstimmung neue Umfrageergebnisse nicht mehr zitieren dürfe. Er deutete aber an, daß neueste Zahlen den Trend zugunsten des »Ja« bestätigten.

Im Dezember hatten viele Meinungsforschungsinstitute noch Mehrheiten gegen die Verfassungsänderung ermittelt. Im Verlauf der letzten Wochen kippte die Stimmung jedoch, und die wichtigen Institute Datanálisis, GIS XXI und IVAD sehen nun das »Ja« mehr oder weniger deutlich vorn. Das dürfte auch an der starken Mobilisierung der bolivarischen Bewegung liegen, die zunächst mit einer großen Unterschriftensammlung und dann mit ihren Aktionen und Plakaten das Bild der Städte beherrschte. Regierungsgegner beklagen, daß sich Venezolaner durch diese Kampagne »unter Druck gesetzt« fühlten. In New York erklärte Datanálisis-Chef Luis Vicente León, Chávez werde die Abstimmung möglicherweise deutlicher als erwartet gewinnen, weil viele Venezolaner befürchtenm »schuld am Scheitern der Revolution« zu sein, wenn sie am Sonntag nicht für den Präsidenten stimmen.

Das sieht offenbar auch der frühere polnische Konterrevolutionär und Staatschef Lech Walesa so, der in einem Interview mit der oppositionellen Tageszeitung El Nacional sagte, Chávez genieße die Unterstützung des Volkes, während die Opposition geschwächt und zersplittert sei. »Sie hat keine starken Argumente gegen Chávez, man muß ihr helfen«, sagt Walesa in dem Interview und meint damit sich selbst. Er wolle nach Venezuela kommen und die rechten Parteien unterstützen, kündigte er an. Chávez zeigte sich alarmiert und forderte, Walesa umgehend auszuweisen, falls er sich in die inneren Angelegenheiten Venezuelas einmische. Von einem präventiven Einreiseverbot war jedoch keine Rede, auch wenn internationale Agenturen die Worte des Präsidenten trotz Dementis so interpretierten. Walesa hingegen hat mittlerweile gekniffen und angekündigt, doch nicht nach Venezuela reisen zu wollen.

Doch auch die Anhänger der Regierung sind nervös. Sie haben ihre Niederlage vom Dezember 2007 nicht vergessen, als eine umfangreiche Verfassungsreform knapp abgelehnt worden war. Die Analysen ergaben damals, daß weniger die Stärke der Opposition den Ausschalg für die Niederlage gegeben hatte, als vielmehr die mangelnde Mobilisierung der Regierungsanhänger. Von 7,3 Millionen Stimmen bei der Präsidentschaftswahl ein Jahr zuvor waren die Chávez-Unterstützer 2007 auf 4,3 Millionen abgestürzt, während die Opposition beide Male um 4,5 Millionen Stimmen gewinnen konnte.

Für dieses Wochenende zeigen sich die im Wahlkampfkommando »Simón Bolívar« zusammengeschlossenen Parteien jedoch optimistisch. Sie verweisen auf das Ergebnis der Unterschriftensammlung bei der ihren Angaben zufolge im Dezember und Januar zwischen sechs und sieben Millionen Menschen ihre Unterstützung für die Verfassungsänderung manifestiert hatten.

Erschienen am 14. Februar 2009 in der Tageszeitung junge Welt