Feindliche Übernahme

Nach der Besetzung von Botschafts- und Konsulatsgebäuden Venezuelas in den USA hat die Regierung in Caracas mit entsprechenden Aktionen gegenüber Einrichtungen Washingtons in dem südamerikanischen Land gedroht. Die »gewaltsame Besetzung« der diplomatischen Einrichtungen sei eine grobe Verletzung der Wiener Konvention, kritisierte Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza am Montag (Ortszeit). Die US-amerikanischen Behörden müssten sofort Maßnahmen ergreifen, um die Okkupation zu beenden. Ansonsten behalte sich Caracas »entsprechend der Reziprozität« – also der in der internationalen Diplomatie üblichen Gegenseitigkeit – vergleichbare Maßnahmen vor.

Stunden zuvor hatten Anhänger des venezolanischen Oppositionspolitikers Juan Guaidó zwei Niederlassungen des venezolanischen Militärattachés in Washington sowie das Konsulatsgebäude in New York besetzt. Das sei »Teil unserer Kampagne zum Schutz der Vermögenswerte der Republik«, begründete der von Guaidó zum »Botschafter Venezuelas in den USA« ernannte Carlos Vecchio die Aktion. Venezuelas Militärattaché in Washington, Oberst José Luis Silva, hatte sich bereits nach der Selbsternennung Guaidós zum »Übergangspräsidenten« auf dessen Seite gestellt.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Robert Palladino, zeigte sich »erfreut« über die Besetzung. Die Administration habe gerne einer entsprechenden »Anfrage« zugestimmt, sagte er dem US-Sender Fox News in der Nacht zum Dienstag. In den Gebäuden hängten die Putschisten Bilder von Venezuelas Präsident Nicolás Maduro und von dessen Vorgänger Hugo Chávez ab. Gustavo Marcano, einer der Okkupanten, feierte die Besetzung. Es handle sich um das erste »vom usurpatorischen Regime Maduro befreite souveräne Territorium unseres Heimatlandes«.

Das venezolanische Außenministerium betonte dagegen in einer offiziellen Stellungnahme, die diplomatischen Einrichtungen der Bolivarischen Republik dürften nur von den Beamten genutzt werden, »die die demokratische und verfassungsmäßige Regierung des Präsidenten Nicolás Maduro Moros repräsentieren«. Dazu gehörten auch diejenigen Diplomaten, die bei internationalen Organisationen wie der UNO akkreditiert seien. Jede Bedrohung oder Einschüchterung dieser Funktionäre durch »in den USA lebende Bürger« stelle eine schwerwiegende Verletzung der internationalen Verpflichtungen der US-Administration dar.

Während Guaidó in Venezuela selbst immer mehr ins Hintertreffen gerät, da er seinen Anhängern keine Erfolge anbieten kann und die Sicherheitskräfte offenkundig nach wie vor auf der Seite der rechtmäßigen Regierung stehen, verschärft Washington den Druck von außen weiter. Dazu sollte auch ein offizieller Besuch des faschistischen brasilianischen Staatschefs Jair Bolsonaro am Dienstag in Washington dienen. Die Deutsche Presseagentur zitierte am Dienstag einen namentlich nicht genannten US-Regierungsbeamten, wonach sich Washington von den guten Kontakten des brasilianischen Militärs zur Armee Venezuelas »Vorteile« erhoffe. Ende Februar hatten venezolanische Oppositionelle auch an der Grenze zwischen Brasilien und Venezuela versucht, angebliche »humanitäre Hilfe« in das Land zu bringen. Das scheiterte ebenso wie in Kolumbien, weil die Nationalgarde die Übergänge versperrte. Anders als in Kolumbien hatten Brasiliens Grenztruppen sich offenbar in Absprache mit der venezolanischen Seite bemüht, eines Eskalation zu verhindern.

Erschienen am 20. März 2019 in der Tageszeitung junge Welt