Fake News im Diplomatenmantel

Das Statement kommt offiziell daher: Unter dem Wappen Venezuelas wendete sich der »Botschafter« des südamerikanischen Landes am Mittwoch über Instagram an die »liebe venezolanische Gemeinde in Deutschland«. Es geht um eine junge Frau, die seit mehr als einer Woche am Frankfurter Flughafen festgehalten werde, und einen weiteren Betroffenen.

Doch das Kommuniqué ist eine Fälschung. Die Seite, auf der die Nachricht veröffentlicht wurde, wird nicht von der diplomatischen Vertretung Venezuelas in Berlin betrieben, sondern vom Vertreter des Putschisten Juan Guaidó in Deutschland, Otto Gebauer. Obwohl dieser von der Bundesregierung nicht als Botschafter anerkannt worden ist, schmückt er sich seit Monaten mit diesem Titel. Im Mai tauchten dann auf Twitter und ­Instagram Seiten unter dem Titel »Botschaft Venezuelas in Deutschland« auf.

Über diese Konten werden nun Fake News verbreitet. Am Mittwoch bedankte sich Gebauer bei seinen Landsleuten für die »große Solidarität und Unterstützung«, die diese der jungen Frau und ihrem Begleiter in Frankfurt am Main erwiesen hätten. »Der Botschafter @ottogebauerm hat direkten Kontakt mit den Betroffenen aufgenommen, ihnen Zeichen der Unterstützung übermittelt und wird sich in den nächsten Stunden mit den Behörden in Deutschland treffen, um diese Fälle zu behandeln …« Man werde über die Fortschritte informieren, sobald man neue Nachrichten habe.

Bis Freitag blieb die Seite solche neuen Informationen schuldig. Statt dessen kamen zwischenzeitlich Zweifel auf, ob die Frau überhaupt existiert. Gegenüber junge Welt teilte ein Sprecher der Bundespolizei in Frankfurt am Donnerstag jedenfalls mit, dass dort niemand mit dem von Gebauer genannten Namen festgehalten werde. Inzwischen ist klar, dass die Venezolanerin am 4. Juni aus der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá kommend in Frankfurt eintraf, ihr jedoch wegen fehlender Dokumente die Einreise verweigert wurde. Nachdem ein Richter ihren Einspruch dagegen zurückgewiesen hatte, kehrte sie am Donnerstag nach Bogotá zurück.

Das hält Alberto Casillas nicht davon ab, die Probleme der jungen Frau für Attacken auf die loyal zur Regierung von Venezuelas Präsident Nicolás Maduro stehenden Diplomaten zu nutzen. Der in Madrid lebende Kellner wurde bekannt, als er während der Proteste in Spanien 2012 Demonstranten Zuflucht in seinem Lokal gewährte und sie so vor den Knüppeln der Polizei schützte. Doch Sympathien für die Linken hat er nicht. Er attackierte linke Politiker, begrüßte im Fernsehsender Cuatro das Erstarken der neofaschistischen Partei Vox und tritt aktuell als Sprecher der Gegner der venezolanischen Regierung in Spanien auf. Bei Instagram verbreitet er Zitate, um die angeblichen Vorgänge in Frankfurt zu kommentieren: »Unterschiede der Botschaften in Deutschland: Die von Maduro (sagt): ›Wir können nichts für Mixelis tun‹. Die von Guaidó mit Otto Gebauer: ›Wir tun alles mögliche, um ihr zu helfen‹. Dieser Botschafter setzt sich ein. Seht ihr Unterschiede?«

In Venezuelas Generalkonsulat in Frankfurt ist man über solche Vorwürfe nicht überrascht. »Die Oppositionellen hier versuchen seit einiger Zeit, Geschichten um den Flughafen zu veranstalten, damit sie behaupten können, dass sie die großen Kämpfer für die Gemeinde sind«, sagte ein Vertreter gegenüber junge Welt. »Das ist zwar falsch, aber sie richten Schaden an.«

Im Auswärtigen Amt stört man sich daran offenbar nicht. Auf jW-Nachfrage zog sich der Pressesprecher am Donnerstag darauf zurück, dass für die Bundesregierung »der Präsident der Nationalversammlung, Juan Guaidó, der legitime Übergangspräsident« Venezuelas sei. »Das Auswärtige Amt führt mit Herrn Gebauer politische Gespräche. Der bisherige Botschafter Venezuelas ist bisher nicht abberufen worden; mit ihm finden aber derzeit keine politischen Gespräche auf Botschafterebene statt.« Auf die konkrete Frage, wie das Auswärtige Amt die Onlinepräsenzen einer falschen »Botschaft Venezuelas« bewertet und ob man Maßnahmen gegen diese ergreifen werde, hieß es nur, man habe »dazu ein Gespräch mit Herrn Gebauer geführt«.

Erschienen am 15. Juni 2019 in der Tageszeitung junge Welt