Fahrplan zum Frieden

Die Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) gehen in die Schluss­phase. Am Freitag (Ortszeit) veröffentlichten die Unterhändler beider Seiten in Havanna die Protokolle, auf deren Grundlage die Kontrolle des beiderseitigen Waffenstillstandes sowie die Entwaffnung der Guerilla erfolgen soll. Damit zeichnen sich jetzt die einzelnen Schritte ab, mit denen wohl noch vor Jahresende der seit mehr als einem halben Jahrhundert andauernde Konflikt beendet werden könnte.

Die entscheidende Etappe auf dem Weg zum Frieden ist das Referendum, in dem die Kolumbianer entscheiden, ob sie dem Abkommen zustimmen oder nicht. Dieses soll durchgeführt werden, sobald die Verhandlungspartner in Havanna offiziell erklären, dass ihr Vertrag unterschriftsreif ist. Ob die Unterzeichnung des Abkommens vor oder nach dem Referendum erfolgt, ist noch unklar. Nach kolumbianischen Medienberichten gibt es darüber unterschiedliche Aussagen von Regierungsmitgliedern. Für das Ja zum Frieden hat sich in Kolumbien bereits ein breites Bündnis gebildet, das von den Parteien der Regierungskoalition bis hin zur kolumbianischen Linken und den Gewerkschaften reicht.

Die offizielle Entscheidung der FARC selbst, ob sie den seit 1964 geführten bewaffneten Kampf beenden und sich als militärische Organisation auflösen, ist für die 10. Guerillakonferenz vorgesehen. Diese soll erstmals legal auf kolumbianischem Territorium abgehalten werden. Es wird mit einer breiten Zustimmung der verschiedenen Fronten und Einheiten gerechnet. Die kolumbianische Tageszeitung El Tiempo veröffentlichte vor einigen Tagen ohne Angabe genauer Quellen, dass sich etwa acht Prozent der FARC-Angehörigen dem Kriegsende widersetzen. Das wären etwa 1.000 Kämpfer, schätzte Carlos Lozano, Chefredakteur der kommunistischen Wochenzeitung Voz, gegenüber junge Welt ein. Er denke jedoch, dass die Zahl der Widersacher geringer sein werde.

Bisher hat lediglich eine Gruppe aus der »Ersten Front« der FARC öffentlich erklärt, dass sie den bewaffneten Kampf fortsetzen wolle, weil die Ziele, wegen denen man zu den Waffen gegriffen habe, noch nicht erreicht worden seien. Andere Fronten betonten in Reaktion darauf ihre Loyalität gegenüber dem Oberkommando der Guerilla und ihr Einverständnis mit dessen Kurs.

Völlig offen ist bislang, wie sich der Übergang der FARC in eine zivile Organisation vollziehen wird. Neben den militärischen gibt es bereits jetzt politische Strukturen, die im Untergrund wirken. So gründete die Guerilla in den 90er Jahren eine Klandestine Kolumbianische Kommunistische Partei (PCCC). Ob sich deren Mitglieder der legalen Kommunistischen Partei (PCC) anschließen werden oder eigenständig bleiben, wurde bisher nicht bekundet. Dasselbe gilt für die »Bolivarische Bewegung für das Neue Kolumbien«.

Iván Márquez, Chefunterhändler der FARC bei den Verhandlungen in Havanna, betonte jedoch bereits, dass die Abgabe der Waffen und die Konzentration der Guerilleros in 23 dafür ausgewählten Gebieten erst beginnen kann, wenn das Referendum erfolgreich abgeschlossen wurde. Damit machte der Comandante klar, dass es keine Demobilisierung der Guerilla geben wird, falls bei der Abstimmung eine Mehrheit der Kolumbianer gegen den Vertrag votiert. Für ein solches Nein wirbt vor allem die Partei des früheren kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe. Dieser wirft seinem einstigen Verteidigungsminister, dem heutigen Präsidenten Juan Manuel Santos, vor, das Land an die Guerilla zu verkaufen. Außerdem widerspreche das Plebiszit dem kolumbianischen Recht. Auch Uribes Amtsvorgänger Andrés Pastrana, der selbst einen letztlich gescheiterten Verhandlungsprozess mit der Guerilla geführt hatte, lehnt den angestrebten Vertrag ab. Das Vorgehen von Santos sei ein Staatsstreich, ließ sich der Expräsident in der kolumbianischen Presse zitieren.

Erschienen am 8. August 2016 in der Tageszeitung junge Welt