Experte des Tages: Heinz Dieterich

Wenn es ernst wird, erkennt man seine Freunde. Solange es gut läuft, hat man all die Schmeichler und Ratgeber um sich herum, die sich im Glanz der Erfolge sonnen. Macht man Fehler oder sorgen andere Umstände dafür, dass es Probleme gibt, sind sie weg – und zeigen mit dem Finger auf den, der die weisen Ratschläge einfach nicht annehmen wollte.

Die Geschichte kennt eine ganze Reihe solcher Beispiele. Der französische Schriftsteller und zeitweilige Revolutionstheoretiker Régis Debray etwa wollte sich als Chronist an Che Guevaras Guerilla in Bolivien beteiligen, wurde jedoch rechtzeitig festgenommen. Später beriet er den chilenischen Präsidenten Salvador Allende, bis dieser 1973 durch einen Putsch gestürzt und ermordet wurde. Einige Jahre später war Debray dann Berater des sozialdemokratischen französischen Präsidenten François Mitterrand, und noch später gehörte er einer Kommission an, die den konservativen Staatschef Jacques Chirac bildungspolitisch beriet.

Karl Marx schrieb einmal, dass sich die Geschichte wiederholt: »das eine Mal als große Tragödie, das andere Mal als lumpige Farce.« Bei Debray können wir getrost von der Tragödie ausgehen.

Aber was sagen wir über Heinz Dieterich? Dieser Herr Professor, der über Jahre den linken Regierungen Lateinamerikas von Mexiko aus Anweisungen geben wollte und deshalb bis heute fälschlicherweise als »Berater von Hugo Chávez« vorgestellt wird (mit dem er sich schon 2007 überworfen hatte), ist inzwischen nicht nur als Professor emeritiert, sondern auch von seiner Unterstützung der Linken zurückgetreten. Tagesschau.de holte ihn am Donnerstag aus der Versenkung. In einem Interview rechtfertigte Dieterich zum Beispiel den am Dienstag mit einem Hubschrauber durchgeführten Angriff in Caracas als »authentischen Akt des Widerstandes«. Sagen wir es mit Boethius: »Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben.«

Erschienen am 1. Juli 2017 in der Tageszeitung junge Welt