Eskalation droht

Die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) will eine Eskalation des Konflikts zwischen Kolumbien und Venezuela verhindern. Bogotá hatte erklärt, Guerilleros der FARC und der ELN fänden Zuflucht im Nachbarland und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) eingeschaltet. Die venezolanische Regierung brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien ab und versetzte ihre Truppen an der Grenze in Alarmbereitschaft. Im Laufe der Woche sollen nun die Außenminister der zwölf unabhängigen Staaten Südamerikas in Quito zusammenkommen, um nach einem diplomatischen Ausweg aus der Krise zu suchen. Anfang August will außerdem UNASUR-Generalsekretär Néstor Kirchner als Vermittler Venezuela und Kolumbien besuchen.

Am Samstag warnte Venezuelas Präsident Hugo Chávez in Caracas, die Provokationen aus Bogotá dienten dazu, die internationale Gemeinschaft auf ein direktes militärisches Ein­greifen durch die USA vorzubereiten. Deren Ziel sei es, Chávez zu entführen oder zu ermorden und die von ihm geleitete Regierung zu stürzen. Das gehe aus Informationen einer »zuverlässigen Quelle« in den USA hervor, die ihn am Freitag erreicht hätten, so der venezolanische Präsident. Diese Quelle habe in der Vergangenheit bereits mehrfach vor ähnlichen Ereignissen gewarnt, so vor dem Putschversuch vom April 2002, sagte Chávez. Auch die Entsendung von 46 US-Kriegsschiffen mit Hubschraubern, Kampfflugzeugen und 7000 US-Marines nach Costa Rica gehöre zu diesen Vorbereitungen. Das Parlament des zentralamerikanischen Landes hatte am 1. Juli mehrheitlich für eine Dauer von fünf Jahren die Stationierung dieser Truppen genehmigt, die offiziellen Angaben zufolge den Kampf gegen den Drogenhandel unterstützen sollen. Bereits in der vergangenen Woche hatte jedoch schon der Vizepräsident der venezolanischen Gruppe im Lateinamerikanischen Parlament, Carolus Wimmer, die offizielle Version in Frage gestellt: »Es geht nicht um den Drogenhandel terroristischer Banden, sondern darum, die gegen Washington eingestellten Regierungen zu bekämpfen. Die USA brauchen diese Kapazitäten, um einen Krieg in der Region entfesseln zu können.«

Nicaraguas Präsident Daniel Ortega stellte sich am Samstag nicht nur ausdrücklich auf die Seite Venezuelas, sondern drohte zugleich mit einer eigenen militärischen Reaktion auf die »expansionistische Politik« Bogotás. Hintergrund ist ein Streit um ein rund 50000 Quadratkilometer großes Seegebiet in der Karibik, das beide Staaten für sich beanspruchen. Kolumbien hat dort Ölförderkonzessionen ausgeschrieben. Sollte Bogotá diese Konzessionen tatsächlich vergeben, könne die Armee zum Einsatz kommen, warnte Ortega bei einer Zeremonie zum Abschluß einer Übung der Streitkräfte. Der Staatschef erinnerte an zwei Urteile des Internationalen Gerichtshofs von 2007 und 2009, in denen Den Haag Nicaragua die Souveränität über das Gebiet zugesprochen habe. »Wir sind verpflichtet, die Erfüllung dieser Resolution durchzusetzen, auch wenn die kolumbianische Regierung damit begonnen hat zu verkaufen, was ihr nicht gehört.«

Erschienen am 26. Juli 2010 in der Tageszeitung junge Welt und am 27. Juli 2010 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek