Erste Ergebnisse

In Venezuela haben die Unterhändler der Regierung und des Opposi­tionsbündnisses MUD (Tisch der demokratischen Einheit) erste Verhandlungsergebnisse erzielt. Bei den von der Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) und dem Vatikan vermittelten Gesprächen habe man sich auf einen »Fahrplan« einigen können, teilte der Sondergesandte des Heiligen Stuhls, Claudio Maria Celli, am Sonnabend in Caracas mit. Zuvor waren beide Seiten zusammengekommen, um die Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen auszuwerten. In dem vorgelegten Fünfpunkteplan verpflichten sich Regierung und Opposition, gemeinsam »jede Form von Sabotage, Boykott oder Aggression gegen die venezolanische Ökonomie« zu bekämpfen. Priorität soll demnach die kurzfristige Sicherstellung der Versorgung mit Medikamenten und Lebensmitteln haben.

Auf der politischen Ebene soll der Konflikt zwischen der Nationalversammlung und dem Obersten Gerichtshof beigelegt werden. Die Richter hatten alle Sitzungen der Legislative für ungültig erklärt, nachdem das Parlamentspräsidium die Suspendierung von zwei Abgeordneten des rechten Lagers ignoriert hatte. Hintergrund war, dass deren Wahl im vergangenen Dezember angefochten wird. Eine Entscheidung der Richter über diese Eingaben lässt indes auf sich warten. Nun fordern Regierung und Opposition die zuständigen Staatsgewalten auf, den Fall zeitnah abzuschließen. Außerdem wolle man »in dem von der Verfassung vorgegebenen Rahmen« zusammenarbeiten, um die Nachfolger von zwei Rektoren des Nationalen Wahlrats (CNE) zu bestimmen, deren Mandat im Dezember ausläuft. Diesem Gremium gehören fünf Personen an, die von den Abgeordneten mit Zweidrittelmehrheit auf sieben Jahre gewählt werden.

Andere Vereinbarungen dienen offenkundig eher der Pflege eines konstruktiven Klimas. So einigten sich beide Seiten darauf, die gegen das Nachbarland Guayana gerichteten Gebietsansprüche aufrechtzuerhalten – das aber hat niemand ernsthaft in Frage gestellt. Alle venezolanischen Regierungen der vergangenen Jahrzehnte haben die Forderung nach Rückgabe des Territoriums im Westen Guayanas erhoben – ohne reale Aussicht auf Erfolg, denn das Nachbarland würde dann die Hälfte seines Staatsgebiets verlieren. In die gleiche Kategorie fällt die gemeinsame Deklaration »Zusammenleben in Frieden«, in der jeder Form von Gewalt eine Absage erteilt wird. Und schließlich sollen die Verhandlungsdelegationen um Gouverneure und Repräsentanten der Gesellschaft erweitert werden.

Keine Annäherung gab es offenbar in der Frage eines Amtsenthebungsreferendums gegen Präsident Nicolás Maduro oder der vorgezogenen Neuwahlen. Beides hatten die Regierungsgegner auf die Tagesordnung gesetzt. Tareck El Aissami, Gouverneur des Bundesstaates Aragua und Mitglied der Führungsspitze der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV), erklärte über Twitter, diese Fragen seien kein Thema gewesen. »Das Amtsenthebungsreferendum ist tot wegen Betrugs«, stellte er fest. Der CNE hatte das Verfahren ausgesetzt, nachdem bei einem Drittel der von der Opposition gesammelten Unterschriften Unregelmäßigkeiten festgestellt worden waren.

Der radikale Flügel der rechten Opposition lehnt die Verhandlungen insgesamt ab und hält sie für eine Falle der Regierung. Aber auch im linken Lager herrscht Skepsis. Insbesondere die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) warnt, der Dialog sei ein »neuer Pakt der Eliten«. Die als Vermittler auftretenden früheren Regierungschefs von Kolumbien, Spanien, der Dominikanischen Republik und Panama seien Vertreter des Großkapitals und würden die Interessen der Sozialistischen Internationale, dem weltweiten Zusammenschluss sozial­demokratischer Parteien, vertreten, sagte PCV-Chef Óscar Figuera in einem am Wochenende veröffentlichten Video. Seine Partei sei an den Verhandlungen nicht beteiligt, »weil uns niemand eingeladen hat«. Aber auch sonst wäre man dem Dialog ferngeblieben, denn nicht ein Abkommen mit dem rechten Lager, sondern nur »mehr Macht für das Volk« könne ein Ausweg aus der Krise sein. Zugleich dementierte er, dass die Kommunisten Maduro ihre Gefolgschaft aufgekündigt hätten. »Solange diese Regierung einen antiimperialistischen Kurs fährt, werden wir sie darin unterstützen«, betonte Figuera.

Erschienen am 15. November 2016 in der Tageszeitung junge Welt