Ernesto Che Guevara (Teil 3) – Es gibt keine Grenzen in diesem Kampf

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„Ich wurde in Argentinien geboren, das ist für niemanden ein Geheimnis. Ich bin Kubaner und ich bin auch Argentinier und, wenn das die werten Herrschaften Lateinamerikas nicht stört, ich fühle mich so sehr als Patriot Lateinamerikas, jedes Landes Lateinamerikas, wie es nur möglich ist, und in dem Augenblick, in dem es notwendig sein sollte, wäre ich bereit, mein Leben für die Befreiung jedes der Länder Lateinamerikas zu geben, ohne dafür irgend etwas von irgendwem zu verlangen.“

Internationalist und Antiimperialist

Che Guevara war ein glühender Internationalist und Antiimperialist. In Guatemala hatte er auf der Seite der demokratisch gewählten Regierung von Jacobo Arbenz gekämpft. In Kuba hatte er sein Leben für die Befreiung riskiert und sich dann mit aller Kraft für den Aufbau einer neuen, sozialistischen Gesellschaft eingesetzt. Als Mitglied der revolutionären Regierung bereiste er die Kontinente. Fidel Castro erinnerte sich im Gespräch mit Ignacio Ramonet: „In den ersten sechs oder sieben Jahren bis 1965 hatte er die Welt umrundet, er hatte Treffen mit Zhu Enlai, mit Nehru, mit Nasser, mit Sukarno, denn er fühlte eine starke internationalistische Bestimmung und interessierte sich sehr für alle diese Probleme. Ich erinnere mich, dass Che mit vielen Leuten sprach, er knüpfte Beziehungen mit Zhu Enlai, er traf sich mit Mao, freundete sich mit den Chinesen an. Er hatte keine Konflikte mit den Sowjets. Aber es war offensichtlich, dass er mehr auf der Seite Chinas stand.“ Che selbst kritisierte offen den sowjetisch-chinesischen Konflikt: „Schuldig sind auch die, die einen Krieg der Beschimpfungen und des Beinstellens aufrecht erhalten, der schon seit langem von den Vertretern der beiden größten Mächte des sozialistischen Lagers angefangen worden ist.“

Im Oktober 1960 leitete Che Guevara die erste offizielle Delegation Kubas in die Sowjetunion. Den US-Amerikanern galt er zu diesem Zeitpunkt, wie das Magazin „Time“ formulierte, als das „Hirn der Revolution“, während Fidel das Herz und Raúl die Faust seien. Im Rahmen dieser mehrmonatigen Reise besuchte er auch China, Nordkorea, Jugoslawien und die DDR.

Che traf im Dezember 1960 in Berlin ein, um ein Abkommen zwischen dem Ministerium für Außenhandel der DDR und der Nationalbank Kubas zu unterzeichnen und weitere Handelsverträge abzuschließen. Beim anschließenden Empfang traf er zum ersten Mal die junge Deutsch-Argentinierin Tamara Bunke, die gemeinsam mit einer Gruppe junger Lateinamerikaner, die in Berlin lebten, an dem Empfang teilnahm. Anschließend reiste Che nach Leipzig, um sich dort mit Studierenden aus Kuba und anderen Ländern Lateinamerikas zu treffen. Tamara nahm als Argentinierin an dem Treffen teil und begleitete Che außerdem erstmals als Dolmetscherin. Fast sieben Jahre später starb Tamara Bunke alias Guerillera Tania an der Seite Che Guevaras im Guerillakampf in Bolivien.

Während dieser Reise zeigte sich Che tief beeindruckt von den Errungenschaften der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder. „Wenn ich das Land des Sozialismus, das ich selbst zum ersten Mal besucht habe, jetzt verlasse, nehme ich … die Eindrücke mit, die die in diesem land verbrachten Tage bei uns hinterlassen haben, in dem Lande, das die tiefste und radikalste Revolution der Welt vollzogen hat.“

Die Dankbarkeit für die Unterstützung aus der Sowjetunion, die zum Beispiel den kubanischen Zucker aufkaufte, als die USA ihre Importe von der Insel einstellten, hielt Che nicht davon ab, auch aus seiner Sicht negative Erscheinungen zu kritisieren. Mit Blick auf den ungerechten Welthandel, von dem indirekt auch die sozialistischen Staaten profitierten, forderte er im Februar 1965 bei einem afrikanisch-asiatischen Wirtschaftsforum in Algier: „Die sozialistischen Länder haben die moralische Verpflichtung, ihre taktische Komplizenschaft mit den Ausbeuterstaaten des Westens zu beenden.“ Vielmehr müsste es den sozialistischen Ländern klar sein, dass sie der Weg der Befreiung der Länder, die sich aus kolonialer Abhängigkeit befreien, etwas kosten würde.

Abreise in den Kongo

Che selbst beschloss, sich nach der Festigung der Kubanischen Revolution wieder in den bewaffneten Kampf einzureihen. Getreu seiner Devise, dass es in diesem Kampf auf Leben und Tod gegen den Imperialismus keine Grenzen gibt, entschied er sich für den Kongo. Sein Kampfgefährte Ulises Estrada Lescaille erinnerte sich im Mai 2007 in einem Artikel für die kubanische Zeitschrift „Bohemia“ an diese Zeit: „1965 ging Che an der Spitze einer Hundertschaft kubanischer Militärberater, die das kongolesische Volk unterstützen sollten. Bei seiner Abreise aus Kuba hatte er Fidel, den er als seine revolutionäre Führungspersönlichkeit und Freund bezeichnete, seinen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er auf den Ruf ´anderer Heimaten dieser Erde´ verweist. … Während der Rundgänge durch die Operationsgebiete der kongolesischen Guerilla wurde ich Zeuge des Elends, in dem die Bauern lebten, das tief verwurzelte Stammesdenken neben den patriarchalen und feudalen Systemen, der Sklaverei und den Religionen. All diese Phänomene wirkten gegen die umfassende organisierte Entwicklung des bewaffneten Kampfes und waren der Grund dafür, dass die Kubaner ihre Arbeit als Militärberater zur Seite schoben und gemeinsam mit den kongolesischen Patrioten kämpften, da dies die effizientere Form des Guerillatrainings und für die Kampfmoral unserer Internationalisten war.“

Che war im Kongo Schüler und Lehrer zugleich: er lernte Swahili, um sich mit den Stammesführern und Priestern verständigen zu können, und unterrichtete zugleich in französischer Sprache die kongolesischen Kämpfer.

Letztlich endete der Kampf im Kongo für die Kubaner mit einer Niederlage. Erst 1997 gelang es Laurent-Désiré Kabila, der bereits zu Ches Zeiten im Kongo gekämpft hatte, die jahrzehntelange Diktatur von Mobutu zu stürzen.

Guerillakampf in Bolivien

Für Che Guevara aber begann mit der Niederlage im Kongo die Vorbereitung für den Guerillakampf in Bolivien. Im März 1967 gab es im östlichen zentralbolivianischen Hochland die ersten Zusammenstöße zwischen der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) und den bolivianischen Regierungstruppen. Während es der Guerilla in Bolivien jedoch nicht wie in der kubanischen Sierra Maestra gelang, die Unterstützung der Bauern zu gewinnen, erkannte die CIA bald, dass die Aufständischen in dem südamerikanischen Land von dem lange gesuchten und schon zu Lebzeiten legendären Che geführt wurden. Die bolivianische Armee wurden massiv aufgerüstet, nordamerikanische Militärberater beteiligten sich an der Jagd auf Che. Am 31. August 1967 geriet eine Gruppe der ELN in einen Hinterhalt und wurde von den Regierungstruppen massakriert. Dabei starb auch Tamara Bunke, die Guerillera Tania.

Am 8. Oktober lieferten sich die ELN und die Regierungstruppen in der Yuro-Niederung das letzte Gefecht. Che wurde verwundet in einer kleinen Schule in La Higuera streng bewacht, bis in La Paz und Washington der Befehl erteilt wurde, den Comandante zu ermorden. Die Regierenden fürchteten, ein Prozess gegen den Guerillero könnte zu einem mobilisierenden Tribunal gegen den Imperialismus werden. Sie wollten einen Mythos verhindern und Che spurlos verschwinden lassen, als sie ihn nach seiner Ermordung in der Nähe eines kleinen Militärflughafens verscharrten.

Doch Che wurde unsterblich. Noch heute ist sein Bild überall präsent. Auch wenn viele derjenigen, die hierzulande Che auf T-Shirts, Badehosen oder Buttons tragen, kaum mehr als den Namen des Comandante kennen, reicht dies schon aus, um Erzreaktionäre, wie den früheren tschechischen Präsidenten Vaclav Havel, zur Weißglut zu treiben. Sie empören sich darüber, dass in Deutschland und vielen anderen Ländern an jeder Ecke das Bildnis des Revolutionärs allgegenwärtig ist. Sie wissen: Che Guevara ist für sie, für den Imperialismus, noch heute eine Bedrohung. Denn Ches Vermächtnis ist heute so aktuell wie vor 40 Jahren: „Schließlich muss man in Rechnung stellen, dass der Imperialismus als letztes Stadium des Kapitalismus ein weltumspannendes System ist, und dass er in einer großen weltweiten Konfrontation geschlagen werden muss. Das strategische Ziel dieses Kampfes muss die Vernichtung des Imperialismus sein. Der Beitrag, der uns, den Ausgebeuteten und Unterentwickelten dieser Welt, zufällt, besteht darin, dem Imperialismus die Existenzgrundlagen zu entziehen, nämlich unsere unterdrückten Völker, aus denen sie Kapitalien, Rohstoffe, Techniker und billige Arbeitskräfte herausholen … Sie treiben uns zu diesem Kampf; es bleibt kein anderes Mittel, als ihn vorzubereiten und sich zu entschließen, ihn aufzunehmen.“

Erschienen in der Wochenzeitung UZ – Unsere Zeit am 5. Oktober 2007