Über die Grenze

Die drei wichtigsten Gewerkschaftsverbände von Honduras wollen die Wirtschaft in dem zentralamerikanischen Land ab dem heutigen Donnerstag mit einem Generalstreik zum Erliegen bringen. Damit soll der Druck auf das Regime der Putschisten weiter erhöht werden. Wie CGT, CTH und CUTH in Tegucigalpa ankündigten, soll der Ausstand durch Straßenblockaden und die Schließung aller öffentlichen Einrichtungen des Landes unterstützt werden. »Wir werden die Putschisten dort treffen, wo es ihnen weh tut, nämlich an ihren Geldbörsen«, sagte CUTH-Generalsekretär Juan Barahona.

Nicht nur die bevorstehende Zuspitzung der Protestaktionen, sondern auch die offenbar unmittelbar bevorstehende Rückkehr des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya sorgt für eine immer angespanntere Stimmung in Honduras. Am Dienstag hatte Zelaya in Managua angekündigt, am Donnerstag die Grenze nach Honduras überschreiten zu wollen. Begleitet werden soll der Präsident von zahlreichen honduranischen Anhängern, die sich in El Salvador, Guatemala und Nicaragua in der Nähe der Grenze zu ihrem Heimatland versammelt haben.

»Es gibt eine lange Grenze mit El Salvador, eine Grenze mit Guatemala und eine Grenze mit Nicaragua. Die Annäherung ist durch die Luft, zu Lande oder zu Wasser möglich, und der Zeitpunkt ist ab Donnerstag offen, wenn die 72 Stunden vorbei sind, die der Vermittler erbeten hat«, sagte Zelaya mit Blick auf den letzten Versuch des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias, doch noch einen Kompromiß zwischen der rechtmäßigen Regierung und den Putschisten auszuhandeln.

Das Regime hat unterdessen die noch in Tegucigalpa verbliebenen Diplomaten und Angestellten der venezolanischen Botschaft zum Verlassen des Landes aufgefordert. Diese kündigten jedoch an, dem nicht Folge zu leisten, da sie keine Entscheidung und keine Maßnahme des Regimes akzeptieren würden. Uriel Vargas, Venezuelas Geschäftsträger in Honduras, erklärte am Dienstag an der Tür des Botschaftsgebäudes gegenüber Pressevertretern, daß Caracas die Regierung von Roberto Micheletti nicht anerkenne, denn »das ist eine De-facto-Regierung von Putschisten, die sich auf die Bajonette stützt«. Gefragt, ob die Diplomaten keine gewaltsame Ausweisung befürchteten, antwortete Vargas: »Das wäre die einzige Maßnahme, die dieser Putschistenregierung noch fehlt.«

Zelayas Ehefrau Xiomara, die nach dem Staatsstreich in Honduras geblieben war und seit Tagen in vorderster Reihe an den Demonstrationen gegen die Putschisten teilnimmt, berichtete unterdessen dem lateinamerikanischen Nachrichtensender TeleSur, daß die Auswirkungen der internationalen Wirtschaftsblockade gegen Honduras im Land zunehmend spürbar werden.

Mit Blick auf den Verrat des durch den Präsidenten abgesetzten Generalstabschef Romeo Vásquez Velásquez sagte Xiomara de Zelaya, sie fühle sich schuldig, weil sie dem General vertraut habe. Am Tag vor dem Putsch habe sie einen Anruf des Generals erhalten, der sie beruhigt habe. »Er sagte mir, ich solle dem Präsidenten ausrichten, daß sie ihn im Generalstab erwarten würden, damit er mit ihnen eine Tasse Kaffee trinke.« Wenige Stunden später habe dieselbe Person dann den bewaffneten Überfall auf die Residenz des Präsidenten angeordnet. »Ich fühle mich betrogen, und meine Familie auch, denn durch die Botschaften wurden wir beruhigt. Wir hätten nie gedacht, daß sie so etwas tun würden.«

Erschienen am 23. Juli 2009 in der Tageszeitung junge Welt