Ehrung für Victor Jara

Victor Jara soll 36 Jahre nach seinem Tod endlich ein würdiges Begräbnis bekommen. Der chilenische Volkssänger war kurz nach dem Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende im Stadion von Santiago de Chile, das heute seinen Namen trägt, brutal ermordet worden. Seine Witwe Joan Jara durfte ihn damals nur in aller Stille und in Begleitung von zwei Personen bestatten. Jahrzehntelang blieb das Verbrechen ungesühnt, bis vor wenigen Monaten die chilenische Justiz endlich begann, gegen die mutmaßlichen Mörder Jaras zu ermitteln. Sein Leichnam wurde auf Anordnung des Richters Juan Eduardo Fuentes Belmar exhumiert und dem Gerichtsmedizinischen Dienst übergeben. Dessen Untersuchungen bestätigten, daß Jara von den Putschisten gefoltert und anschließend mit zahlreichen Schüssen ermordet worden.

Der Richter hatte im Mai ein Verfahren gegen den damals als Rekrut im Stadion dienenden José Paredes eröffnet, der zunächst gestanden hatte, Schüsse auf Jara abgegeben zu haben, diese Aussage später jedoch widerrief. Ebenfalls im Visier der Ermittlungen stand der damalige Chef des illegalen Gefangenenlagers, Oberst Mario Manríquez. Chilenische Parlamentsabgeordnete und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen kritisierten jedoch, daß derjenige, der den Befehl zur Ermordung Victor Jaras gegeben hatte, von den Ermittlungen ausgespart blieb. Aussagen von Opfern, die wie Jara im Stadion von Santiago eingesperrt und gefoltert worden waren, wiesen auf einen Oberst hin, der damals unter dem Namen »Der Prinz« bekannt und gefürchtet war. Journalisten identifizierten diesen schließlich als Edwin Dimter Bianchi, der seine Beteiligung an der Tat bislang jedoch abstreitet.

Am heutigen Donnerstag beginnt nun in den Räumen der Victor-Jara-Stiftung an der im Zentrum Santiagos gelegenen Plaza Brasil eine drei Tage dauernde Ehrung des Sängers, deren Abschluß am Sonnabend seine Überführung auf den Zentralfriedhof und seine würdige Bestattung sein werden. Während der Aufbahrung werden zahlreiche kulturelle Veranstaltungen an Leben und Werk Jaras erinnern, so ein Konzert der bekannten Gruppe Inti Illimani.

Angesichts der mehreren tausend Teilnehmer, die zu den Veranstaltungen und zur Besatattung Victor Jaras erwartet werden, zeigte sich der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Chiles, Guillermo Teillier, stolz darauf, daß Victor Jara als Mitglied des Zentralkomitees des Jugendverbandes eine der Führungspersönlichkeiten der chilenischen Kommunisten gewesen war »und heute dem gesamten chilenischen Volk gehört.«

Der chilenische Filmschauspieler Daniel Alcaíno rief dazu auf, mit der selben Freude, mit der Victor Jara gelebt habe, die Plaza Brasil zu füllen. Der 1975 geborene Darsteller berichtete, wie er als Kind von Victor Jara erfahren habe, dessen Lieder unter der bis 1990 andauernden Pinochet-Diktatur verboten waren und nur leise gehört und gesungen werden konnten.

Aktuelle Bedeutung erhält die Ehrung für Victor Jara durch die am 13. Dezember bevorstehende erste Runde der Präsidentschaftswahlen in Chile. Umfragen sagen derzeit einen Sieg des Rechtskandidaten Sebastián Piñera voraus, der die Pinochet-Diktatur dafür lobt, daß sie das Land »modernisiert« und »dem Ausland geöffnet« habe. Als Chef der Partei »Nationale Erneuerung« (RN) ist er für die Wahl ein Bündnis mit der »Unabhängigen Demokratischen Union« (UDI) eingegangen, die bis heute offen die Diktatur verteidigt. Der Kandidat von Kommunisten und Christlicher Linke, Jorge Arrate, hat deshalb seine Konkurrenten vom Mitte-Links-Bündnis »Concertación«, Eduardo Frei, sowie den von Grünen und Humanisten unterstützten Marco Enríquez-Ominami zu einem Abkommen aufgerufen, um in der erwarteten Stichwahl, die am 17. Januar 2010 stattfinden soll, einen Sieg Piñeras zu verhindern.

Die amtierende Präsidentin Michelle Bachelet von der Sozialistischen Partei kann nicht mehr kandidieren, da die chilenische Verfassung eine direkte Wiederwahl des Staatsoberhaupts ausschließt.

Erschienen am 3. Dezember 2009 in der Tageszeitung junge Welt und am 5. Dezember 2009 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek