junge Welt, 8. Juni 2015

Durchbruch zum Zaun

junge Welt, 8. Juni 2015Tausende haben am Wochenende in Oberbayern gegen den G-7-Gipfel auf Schloss Elmau protestiert, der am Sonntag eröffnet wurde. Nach der Großdemonstration am Samstag, an der nach Veranstalterangaben rund 7.500 Menschen teilgenommen hatten, verlagerte sich das Geschehen am Sonntag auf die Straßen, Feldwege und Wälder rund um das Sperrgebiet, das insgesamt 30.000 Polizisten an der Nobelherberge errichtet hatten.

Am frühen Sonntag morgen versammelten sich mehrere hundert Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz von Garmisch-Partenkirchen. In der Nacht zuvor hatte ein Plenum des Protestcamps beschlossen, an den geplanten Aktionen festzuhalten, obwohl auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Kundgebungen in unmittelbarer Nähe des Gipfeltreffens untersagt hatte. Das Bündnis »Stop G7 Elmau« lehnte auch das »Angebot« ab, eine Delegation von bis zu 50 Vertretern durch die Polizei in die Nähe von Schloss Elmau bringen zu lassen, um dort Protest simulieren zu können. Statt dessen starteten ein Korso mit etwa 50 Fahrrädern sowie ein Sternmarsch mit rund 400 Menschen auf zwei Routen über das Kirchdorf Wamberg sowie über Vordergraseck Richtung Elmau. Die sich sammelnden Demonstranten wurden schon in Garmisch-Partenkirchen unter anderem aus der Luft überwacht. Niedrig über dem Bahnhofsgebäude kreiste ein Aufklärungshelikopter der US-Armee. Die Polizei untersagte den Teilnehmern, »sichtbar« Campingzubehör mitzuführen. Zugleich verhinderten die Beamten, dass sich Bewohner des Protestcamps dem Sternmarsch anschließen konnten. Diese reagierten darauf wenige Stunden später mit einer Demonstration durch Garmisch-Partenkirchen, um gegen die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit und die Übergriffe der Sicherheitskräfte zu protestieren. An dieser immer wieder von der Polizei behinderten Aktion beteiligten sich nach Veranstalterangaben bis zu 1.000 Menschen.

Die rund 250 Teilnehmer der Sternmarschgruppe in Richtung Wamberg sollten von der Polizei gegen 9.30 Uhr an einer Wildschutzpforte einzeln kontrolliert werden. Das verweigerten die Teilnehmer und setzten schließlich ihren Weg fort, indem sie eine Polizeikette wegdrückten. Nach 10 Uhr erreichten sie das 27 Einwohner zählende »Bilderbuchdorf« Wamberg, wo sie vom Roten Kreuz mit Trinkwasser versorgt wurden. Nach einer weiteren Wegstrecke erreichte der Marsch eine Gabelung. Der Pfad, auf dem es laut Wegweiser nach Elmau ging, war durch drei Reihen Polizei abgesperrt. Daraufhin bog der Zug ab und vereinigte sich direkt am Zaun mit den Demonstranten der anderen Route, von denen man sich rund zwei Stunden zuvor getrennt hatte. Die Stimmung war entspannt, Helfer verteilten Wasserflaschen an Polizisten, Demonstranten und Journalisten. Aktivisten versuchten, mit den dick eingepackten und schwitzenden Beamten ins Gespräch zu kommen: »Dürft ihr eigentlich streiken?« Die Polizisten ließen sich auf keine Diskussionen ein.
G7 Hinter Schloss & Riegel

Ruppiger ging es im Laufe des Tages unter anderem auf der Bundesstraße B2 zu, die als Verkehrsverbindung für die Delegationen nach Schloss Elmau freigehalten werden sollte. Immer wieder wurde die Strecke von Demonstranten blockiert. Sondereinheiten der Polizei beendeten die Proteste, mehrere Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen. Auch auf anderen Straßen der Region kam es zu meist kurzzeitigen Blockadeaktionen. Die Proteste sollen auch am Montag noch fortgesetzt werden.

Verfasst gemeinsam mit Lena Kreymann und Claudia Wangerin

Erschienen am 8. Juni 2015 in der Tageszeitung junge Welt