Diplomatischer Schlagabtausch

Mit unverhohlener Wut haben führende Politiker der USA die Entsendung russischer Langstreckenbomber nach Venezuela zur Kenntnis genommen. Nachdem die insgesamt vier Flugzeuge am Montag (Ortszeit) in Caracas empfangen worden waren (jW berichtete), twitterte US-Außenminister Michael Pompeo, dass das russische und venezolanische Volk »dies als das sehen sollten, was es ist: zwei korrupte Regierungen, die öffentliche Mittel verschwenden und die Freiheit einschränken, während ihr Volk leidet«. Der republikanische Senator Marco Rubio verlangte am Dienstag (Ortszeit), die »Demokratien Lateinamerikas« müssten »die Versuche Russlands zurückweisen, Lateinamerika zu seinem eigenen Vorteil auszubeuten«. Putins Entscheidung, Flugzeuge nach Venezuela zu schicken, belege »Maduros Verzweiflung« und sei ein weiteres Beispiel dafür, wie »beide Regime die Stabilität der Region und die nationale Sicherheit der USA bedrohen«.

Die Antwort aus Moskau ließ nicht lange auf sich warten. Regierungssprecher Dmitri Peskow erklärte, dass es einem Land, »das mit der Hälfte seines Verteidigungshaushalts ganz Afrika ernähren könnte«, nicht zustehe, sich über die Verschwendung von Finanzmitteln durch andere Regierungen zu äußern. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, griff das Thema am Dienstag in Moskau ironisch auf: »Nur zwei Flugzeuge, und das State Department wird schon hysterisch.« Die Kollegen sollten sich beruhigen und »nicht so nervös sein«. Per offiziellem Statement ergänzte das Ministerium, dass Washington zunächst einmal auf seine eigenen Ausgaben schauen solle, »bevor es das Geld anderer Leute zählt«. Genüsslich wird in dem Kommuniqué auf die Kritik des Generalinspektors des US-Verteidigungsministeriums, Glenn A. Fine, hingewiesen, dass im Rahmen der Hilfe für Afghanistan Millionen Dollar der US-Steuerzahler »nie den Menschen geholfen oder auch nur ihren Bestimmungsort erreicht« hätten. In anderen Bereichen sei die »Effektivität der riesigen US-Militärausgaben« ebenfalls »fraglich«, so das russische Außenministerium. Sie hätten den Menschen »Tod und Leiden, nicht aber Freiheit oder Demokratie« gebracht. Beispiele dafür seien »der Irak und Libyen, wo Washington seinen Ambitionen Hunderttausende Menschenleben geopfert und früher wohlhabende Länder zerstört hat«.

Auch in Caracas reagierte man mit Kopfschütteln auf die Kommentare aus Washington. Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza bezeichnete die Kritik Pompeos als »zynisch«, denn immerhin verfügten die USA über mindestens 800 bekannte Militärstützpunkte in 70 Ländern der Welt. Zudem richteten sich 75 der 107 US-Programme zur »Sicherheitskooperation« auf Lateinamerika. »Es ist merkwürdig, dass die US-Regierung unser souveränes Recht auf Kooperation mit anderen Ländern in Verteidigungs- und Sicherheitsfragen in Frage stellt«, so Arreaza weiter, »während uns Donald Trump öffentlich mit einer militärischen Intervention droht«. Wenn die USA Zusammenarbeit wollten, sollten sie die gegen Venezuela verhängten Sanktionen aufheben.

Sein Stellvertreter William Castillo erinnerte an die neun Militärbasen mit Tausenden Soldaten, die Washington in Kolumbien errichtet hat. »Und da brüllt der CIA-Agent Mike Pompeo wegen einiger russischer Flugzeuge in Venezuela herum.« Das sei »peinlich und lachhaft«. Kolumbiens Verteidigungsminister Guillermo Botero hatte zuvor die gemeinsamen Übungen von Venezuela und Russland eine »Provokation« genannt, auf die man sich nicht einlassen werde. Dem Sender W Radio sagte er, Kolumbien provoziere nicht und lasse sich auch nicht provozieren.

Am Montag waren vier Militärflugzeuge aus Russland – unter ihnen zwei Tupolew-Überschallbomber »Tu-160« – auf dem internationalen Flughafen Maiquetía gelandet, um an gemeinsamen Übungen mit der venezolanischen Luftwaffe teilzunehmen. Bei einem Besuch von Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro in Moskau hatten beide Länder in der vergangenen Woche unter anderem einen Ausbau ihrer Zusammenarbeit bei der Luftabwehr vereinbart.

Erschienen am 13. Dezember 2018 in der Tageszeitung junge Welt