Der Stern Bolívars – Venezuela änderte seine Staatssymbole

Ein achter Stern auf der Flagge Venezuelas bringt die rechte Opposition des südamerikanischen Landes mal wieder auf die Palme. Seit dem 12. März nämlich zeigt die Nationalflagge der Bolivarischen Republik Venezuela acht statt wie bisher sieben weiße Sterne. Auch das Staatswappen wurde durch die Nationalversammlung, das venezolanische Parlament, nach intensiver und kontroverser Diskussion geändert.

Die Opposition, die sich durch ihren Wahlboykott im Dezember selbst um die Möglichkeit gebracht hatte, an den Diskussionen im Parlament teilzunehmen, sieht in der neuen Fahne lediglich eine „neue Spinnerei“ des Präsidenten Chávez und ließ sich dazu herab, die neue Fahne zu zerreißen oder den achten Stern und das neue Wappen aus der gelb-blau-roten Trikolore herauszuschneiden, Taten, die in Venezuela ebenso wie hierzulande mit Strafe belegt sind.

Die bolivarianische Parlamentsmehrheit, die mit ihrem Beschluss vom 7. März einer Anregung folgte, die Hugo Chávez bereits 2001 geäußert hatte, sieht in der Veränderung der Fahne die Erfüllung eines Dekrets des Nationalhelden Simón Bolívar. Dieser hatte im November 1817, nach der Befreiung Guayanas von der spanischen Kolonialherrschaft, in einem Dekret verfügt, den ursprünglich sieben Sternen, die für die sieben Gründungsprovinzen Venezuelas – Caracas, Cumaná, Barinas, Margarita, Mérida, Barcelona und Trujillo – stehen, einen achten Stern für die neue, achte Provinz hinzuzufügen.

Dieser achte Stern für die Provinz Guayana hat nichts mit dem historischen Gebietsanspruch Venezuelas auf einen Großteil des Staatsgebiets der heutigen Republik Guayana zu tun. Das 1817 von der spanischen Kolonialherrschaft befreite Guayana kam später zu einem Großteil erneut unter fremde Herrschaft und wurde als „British Guayana“ dem Empire unterworfen. Auf das damals geraubte Gebiet hat Venezuela nie verzichtet, was sich auch in der Gestaltung der offiziellen venezolanischen Landkarten ausdrückt. Seit dem Regierungsantritt Chávez´ haben sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern aber entspannt und Chávez selbst hat deutlich gemacht, dass seine Regierung nicht daran denkt, irgendwelche Schritte zu unternehmen, um die bestehenden Grenzen zu verändern. Unabhängig von diesem latenten Konflikt gibt es aber im Osten Venezuelas ebenfalls eine Provinz Guayana. In diesem Landesteil wurde bereits seit Jahrzehnten der Fahne oftmals ein achter Stern hinzugefügt. So ist auch verständlich, dass dessen offizielle Einfügung in dieser Region besonders begrüßt wurde.

Weitere Änderungen betreffen das Staatswappen. Am auffälligsten ist die Veränderung der Position des weißen Pferdes auf dem Schild. Bislang stand es nach rechts gewandt und hatte seinen Kopf nach hinten gewandt. In der neuen Version galoppiert das Pferd nach links. Auch das hat, entgegen der Vermutung mancher Journalisten, nichts mit der Linksentwicklung Venezuelas zu tun. Vielmehr hatten im Rahmen der Parlamentsdebatte Historiker darauf hingewiesen, dass die Haltung des Pferdes ein wappenkundlicher Fehler war. In der Tat sehen wir auf alten Darstellungen des venezolanischen Wappens ein nach links galoppierendes Pferd. Warum daraus im Laufe der Zeit die „falsche“ Darstellung wurde, lässt sich heute nicht mehr genau nachvollziehen. Manche Historiker vermuten, dass der Urheber des Fehlers ein Maler war, der sich an eine nur ungenaue Beschreibung gehalten hatte.

Neben dieser auffälligsten Änderung wurden weitere Details des Wappens verändert. Im oberen linken Feld sehen wir nun 24 Ähren statt wie bisher 20. Sie stehen für die 24 Staaten, die heute Venezuela bilden. Auch die bisherigen 20 Ähren sollten diese repräsentieren, aber im Laufe der Zeit war die Zahl der venezolanischen Bundesstaaten auf 24 angestiegen. Schließlich wurden den im oberen rechten Feld gezeigten Waffen – Säbel und Schwerter, die für den Unabhängigkeitskampf stehen – weitere hinzugefügt: Pfeil und Bogen für die Indígenas, die Ureinwohner Venezuelas, und eine Machete für den Kampf der Bauern und der aus Afrika nach Venezuela verschleppten Sklaven.

Trotz dieser Veränderungen muss nicht damit gerechnet werden, dass die bisherige Fahne sofort von Botschafts- und Konsulatsgebäuden und anderen Einrichtungen verschwindet. Die Übergangsbestimmungen legen einen Zeitraum von fünf Jahren fest, bis zu dem jetzt vorhandenes Briefpapier, Formulare, Stempel usw. aufgebraucht werden soll, sodass die neue Symbolik nach und nach eingeführt wird. Ein vernünftiger Entschluss angesichts der sonst enormen Kosten die solche Veränderungen sonst verursachen würden. Schnell reagiert hat hingegen das venezolanische Ministerium für Kommunikation und Information (MCI) und die Logos der venezolanischen Institutionen und der Öffentlichkeitsarbeit an die neue Fahne mit den acht Sternen angepasst.

Derschienen in der Wochenzeitung UZ – Unsere Zeit vom 24. März 2006