In Berlin gingen rund 300 Menschen gegen den Putschversuch in Venezuela auf die Straße

»Der Putsch ist gescheitert«

Tausende Menschen haben am Sonnabend in Caracas gegen die Interventionsdrohungen der USA und die ausländische Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas demonstriert. Der Präsident des südamerikanischen Landes, Nicolás Maduro, nutzte seine Rede auf der Avenida Urdaneta im Zentrum der Hauptstadt dazu, den vollständigen Abbruch aller politischen und diplomatischen Beziehungen mit der »faschistischen Regierung« Kolumbiens anzukündigen. Der Botschafter und die Konsuln des Nachbarlandes hätten 24 Stunden Zeit, Venezuela zu verlassen. Er könne nicht länger hinnehmen, dass Bogotá das Staatsgebiet Kolumbiens für permanente Aggressionen gegen Venezuela zur Verfügung stelle.

Maduro informierte zudem, dass seine Regierung mit Vertretern der Europäischen Union die Lieferung von humanitärer Unterstützung im Umfang von zwei Milliarden Euro vereinbart habe. Man habe mit der EU grundlegende Meinungsverschiedenheiten, erklärte der Präsident, doch er hoffe, dass die Union diesmal ihr Versprechen halte. Man habe der »technischen Kommission«, die am Mittwoch Caracas besucht hatte, Listen mit den benötigten Medikamenten und Grundnahrungsmitteln überreicht und werde sehen, ob diese trotz der verhängten Sanktionen geliefert würden. Zugleich bekräftigte Maduro, dass seine Regierung jede Sendung bezahlen werde: »Wir betteln bei niemandem!«

Scharf kritisierte Maduro den Oppositionspolitiker Juan Guaidó, dessen Selbsternennung zum »Übergangspräsidenten« am Sonnabend genau einen Monat her war. Maduro erinnerte daran, dass die venezolanische Verfassung die Ernennung eines Übergangspräsidenten nur zu dem Zweck erlaubt, innerhalb von 30 Tagen Neuwahlen durchzuführen. »Warum ruft er denn keine Wahlen aus?«, forderte der gewählte den selbsternannten Präsidenten heraus, »dann können wir sehen, wer die Mehrheit der Menschen hinter sich hat.«

Guaidó hatte am Freitag die Grenze nach Kolumbien überschritten und sich damit über Auflagen des Obersten Gerichtshofs hinweggesetzt, der ihm wegen eines laufenden Ermittlungsverfahrens das Verlassen des Landes untersagt hatte. Dort musste er am Sonnabend jedoch einräumen, dass es nicht gelungen sei, »humanitäre Hilfe« über die Grenze nach Venezuela zu bringen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kolumbiens Präsident Iván Duque und Chiles Staatschef Sebastián Piñera sowie dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, zeigte er sich jedoch überzeugt, dass sich »mit dem heutigen Tag in Venezuela alles ändern wird«. Es sei zumindest gelungen, ein Teil der »humanitären Hilfe« von Brasilien aus ins Land zu bringen. Das wurde jedoch vom Fernsehsender Telesur dementiert. Dessen Korrespondentin berichtete, dass die zwei an der Grenze stehenden Lastwagen Brasilien nicht hätten verlassen können.

Im Vorfeld hatte Guaidó angekündigt, die in Cúcuta lagernden Waren mit Hilfe Tausender Unterstützer »so oder so« über die Grenze nach Venezuela zu bringen. Noch am Freitag abend hatte er im Gespräch mit CNN von »mehr als einer Million Freiwilligen« gesprochen, die sich dafür registriert hätten. Tatsächlich versammelten sich nach Angaben von Journalisten im kolumbianischen Cúcuta und in San Antonio auf der venezolanischen Seite nur mehrere hundert Oppositionelle. So soll ihre Zahl im venezolanischen Grenzgebiet nicht höher als 300 gewesen sein, hieß es aus San Antonio.

Trotzdem kam es im Laufe des Tages zu mehreren Zwischenfällen an den Grenzübergängen, die am Freitag abend geschlossen worden waren. Am Vormittag brachten zwei Unteroffiziere der venezolanischen Nationalgarde zwei Panzerfahrzeuge in ihre Gewalt und versuchten mit diesen, die Absperrungen auf der Simón-Bolívar-Brücke zu durchbrechen. Dabei verletzten sie einen Polizisten und eine chilenische Fotojournalistin, die sich nur durch einen Sprung auf die Seite retten konnte. Als die Fahrzeuge gestoppt wurden, setzten die beiden Beamten ihre Flucht zu Fuß vor. Auf der kolumbianischen Seite wurden sie von Politikern der venezolanischen Opposition erwartet. Die verletzte Reporterin warf den Deserteuren aus dem Krankenhaus heraus vor, es gezielt auf das Töten von Zivilisten abgesehen zu haben. Sie seien mit voller Geschwindigkeit auf die Menschen am Grenzübergang zugerast: »Ich habe mich gerade so retten können. Ich kann nicht glauben, dass sie jetzt als Helden gefeiert werden.«

An einem anderen Übergang, auf der Francisco-de-Santander-Brücke, versuchten vier Lastwagen von Kolumbien aus die Sperranlagen zu durchbrechen. Nachdem sie eine erste Barriere überwunden hatten, konnten sie jedoch von den venezolanischen Grenzschützern gestoppt werden, die auch Tränengas gegen die hinter den Fahrzeugen herlaufenden Aktivisten einsetzten. Nach Informationen des US-Senders CNN sollen dabei zahlreiche Menschen verletzt worden sein. Später gingen auf der Brücke zwei Lastwagen der nordamerikanischen Regierungsagentur USAID in Flammen auf – aus »ungeklärten Gründen«, wie es die Deutsche Presseagentur formulierte. Während nordamerikanische Quelle die venezolanische Nationalgarde für den Brand verantwortlich machten, verwiesen deren Sprecher darauf, dass sich die Fahrzeuge noch auf der kolumbianischen Seite der Brücke befunden hätten. Dort seien keine venezolanischen Sicherheitskräfte gewesen. Madelein García vom Nachrichtensender Telesur berichtete, oppositionelle Aktivisten hätten die Laster von der kolumbianischen Seite aus in Brand gesetzt. In den »sozialen Netzwerken« kursierende Aufnahmen scheinen diese Darstellung zu bestätigen.

Kolumbiens Einwanderungsbehörden teilten mit, dass sich im Laufe des Tages 18 Angehörige der Nationalgarde und der Nationalpolizei nach Kolumbien abgesetzt hätten. Von venezolanischer Seite wurden diese Angaben nicht bestätigt. In mehreren Fällen wurde allerdings berichtet, dass viele der angeblichen Deserteure nicht mehr im aktiven Dienst gewesen seien. So sei ein Offizier bereits in der vergangenen Woche suspendiert worden, weil er in einen Korruptionsfall verwickelt sein soll.

Erschienen am 23. Februar 2019 in der Online-Ausgabe der Tageszeitung junge Welt