»Der Krieg ist beendet«

Der mehr als 50 Jahre andauernde Krieg zwischen den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) und den Truppen der Regierung in Bogotá ist vorbei. Nachdem die Unterhändler beider Seiten am Mittwoch den erfolgreichen Abschluss ihrer seit 2012 in der kubanischen Hauptstadt geführten Verhandlungen erklärt hatten, gilt seit dem gestrigen Montag um 0 Uhr Ortszeit zwischen beiden Seiten eine »bilaterale und endgültige Waffenruhe«.

Der kolumbianische Staatschef, Juan Manuel Santos, hatte am vergangenen Donnerstag der Armee des südamerikanischen Landes ein Ende aller Angriffe auf die Guerilleros der FARC mit Beginn der neuen Woche befohlen. Am Sonntag zog dann der oberste Comandante der Aufständischen nach. Timoleón Jiménez, der mit bürgerlichem Namen Rodrigo Londoño heißt, ordnete in Havanna die Einstellung aller Attacken an. De facto hatte die Guerilla bereits seit einem Jahr einen einseitig erklärten Waffenstillstand eingehalten und nur auf Angriffe der Armee reagiert. Nun jedoch verkündete Jiménez: »Der Krieg ist beendet.« Während hinter ihm die Mitglieder der Verhandlungsdelegation standen, fügte der Comandante hinzu: »Mögen sich nie wieder die Waffen der Republik auf die Menschen ihres Volkes richten. Möge nie wieder ein Aufstand notwendig werden.«

Vom 13. bis 19. September wollen die FARC auf ihrer X. Nationalen Guerillakonferenz den bewaffneten Kampf gegen das Regime in Bogotá offiziell beenden. Dazu hat das Sekretariat, die oberste Kommandoinstanz der Organisation, rund 200 Delegierte in das südkolumbianische San Vicente del Caguán geladen. Zudem werden etwa 50 Gäste aus dem In- und Ausland sowie eine nicht absehbare Zahl von Journalisten erwartet. Wenige Tage später soll der Friedensvertrag feierlich unterschrieben werden. Über diesen entscheiden dann die Bürger des Landes am 2. Oktober in einem Referendum. Nach den jüngsten Umfragen will eine wachsende Mehrheit der Menschen für den Frieden votieren, auch wenn die äußerste Rechte um Expräsident Álvaro Uribe eine wütende Kampagne gegen das Abkommen entfesselt hat.

Der weitere Weg bleibt kompliziert. In den vergangenen Tagen gab es Berichte über Scharmützel zwischen Guerilleros und Soldaten. Die Kolumbianische Kommunistische Partei (PCC) etwa warf auf ihrer Homepage der Armee vor, in Bagre (Antioquia) gezielt eine Gruppe von FARC-Guerilleros attackiert zu haben. Anschließend sei gelogen worden, es habe sich um Kämpfer der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) gehandelt.

Am Montag verbreitete Radio Patria Libre, der Rundfunksender der ELN, einen offenen Brief an die FARC. Da­rin betont die zweitgrößte Guerillaorganisation Kolumbiens, dass man die Inhalte des Abkommens zwischen den FARC und der Administration zwar respektiere, aber nicht teile: »Wir sehen keinen klaren Willen der nationalen Regierung zum Frieden.« Das Ziel Bogotás sei es lediglich, die Guerilla zu entwaffnen, »ohne dass es im Gegenzug die wirkliche Bereitschaft gibt, Abkommen auszuhandeln, die tatsächlich die Ursachen für den politischen, sozialen und bewaffneten Konflikt beseitigen«, heißt es in dem vom obersten ELN-Comandante Nicolás Rodríguez Bautista unterzeichneten Schreiben. Er äußerte die Überzeugung, dass die Kämpfer der ELN und die »Genossinnen und Genossen der FARC« auch künftig »an den verschiedenen Schauplätzen, auf die uns der revolutionäre und Volkskampf stellt« zusammenkommen werden.

Erschienen am 30. August 2016 in der Tageszeitung junge Welt