»D-Day« für den Frieden

Einen Tag nach dem Senat hat auch das Unterhaus des kolumbianischen Parlaments am Mittwoch abend (Ortszeit) den zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla ausgehandelten neuen Friedensvertrag ratifiziert. Damit ist der »D-Day« angebrochen. Mit dieser Anspielung auf die Invasion der Alliierten in der Normandie 1944 bezeichnen die Kolumbianer derzeit den Tag nach (spanisch: después) der Ratifizierung des Abkommens. Mit diesem Datum beginnt der Zeitplan zur Umsetzung des Friedensvertrages.

Eigentlich sollte schon am 3. Dezember »D-Day« sein, doch am Tag zuvor wurde der im September von Staatschef Juan Manuel Santos und FARC-Comandante Timoleón Jiménez unterzeichnete Friedensvertrag in einem Referendum durch eine knappe Mehrheit der Teilnehmenden abgelehnt. Es folgten hektische Nachverhandlungen, bei denen eine Reihe von Forderungen der Gegner des Friedensprozesses in eine Neufassung aufgenommen wurden. Trotzdem stellt sich die äußerste Rechte Kolumbiens um Expräsident Álvaro Uribe auch gegen diese Version. Man sei dagegen, dass sich »Verbrecher« an der Politik beteiligen dürfen, twitterten Sprecher von Uribes Partei »Demokratisches Zentrum« am Mittwoch. Gemeint sind damit allerdings nicht die eigenen Leute, die sich wegen Verbindungen zu den paramilitärischen Todesschwadronen verantworten müssen, sondern die Comandantes der FARC, denen der Weg zu einer legalen politischen Betätigung versperrt werden soll.

Die Abstimmungen in Senat und Abgeordnetenhaus boykottierten die Rechten, so dass in beiden Kammern einstimmig für das Abkommen votiert wurde. Die Rechten fordern, dass die Neufassung des Vertrags noch einmal der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt wird. Gegen das parlamentarische Verfahren sowie gegen die Inhalte des Vertrags hat die Rechte mehrere Klagen beim Verfassungsgericht eingereicht.

Die Regierung hatte sich dafür entschieden, die Vereinbarung in einem Schnellverfahren durch das Parlament zu bringen, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren – in den vergangenen Wochen gab es mehrfach Zwischenfälle, bei denen Guerilleros durch Soldaten erschossen wurden. Außerdem nahm die Zahl von Morden an Gewerkschaftern und Aktivisten linker Gruppen zuletzt dramatisch zu. Die Guerilla warnte deshalb bereits vor einem Scheitern des Friedensprozesses.

Mit der Ratifizierung des Abkommens übernehmen die Vereinten Nationen die Überwachung des zwischen beiden Seiten ausgehandelten Waffenstillstandes. »In fünf Tagen beginnt der Marsch der FARC in die Übergangszonen, in denen sich alle Kämpfer für einen Zeitraum von 180 Tagen sammeln sollen«, kündigte Santos am Mittwoch an. In diesen Gebieten erfolgt innerhalb von 150 Tagen die Abgabe der Waffen an eine UN-Kommission. Damit endet die Existenz der FARC als Guerillaorganisation. Voraussichtlich im Mai wollen die Aufständischen eine legale politische Bewegung gründen, um weiter für ihre Ziele einzutreten.

Ein Vertreter der FARC wird am 14. Januar an der XXII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin teilnehmen. Das bestätigte der Comandante Marco León Calarcá, der Mitglied der Verhandlungsdelegation der Gue­rilla war, gegenüber junge Welt.

Erschienen am 2. Dezember 2016 in der Tageszeitung junge Welt