Ciao, Sigaro!

Hunderte Menschen haben am vergangenen Donnerstag in Rom Abschied von Angelo Conti alias »Sigaro« genommen. Der Mitbegründer und Gitarrist der international bekannten Rockgruppe »Banda Bassotti« war am 11. Dezember nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 62 Jahren in der italienischen Hauptstadt gestorben. Auf Facebook würdigten ihn seine Bandkollegen mit einer Grafik, die den Sänger vor der roten Fahne mit Hammer und Sichel zeigt, dazu die Worte: »Wer kämpft, wird niemals Sklave sein. Ciao, Sigaro!«

»Sigaro« hatte »Banda Bassotti« – der italienische Name der aus den Disney-Comics bekannten »Panzerknacker« – zusammen mit Gianpaolo »Picchio« Picchiami und anderen Kollegen Anfang der 1980er Jahre während der Pausen auf den Baustellen gegründet, wo sie arbeiteten. 1991 erschien der Sampler »Balla e difendi« (Tanzen und sich verteidigen), gefolgt 1992 vom ersten Album »Figli della stessa rabbia« (Kinder derselben Wut), dem Titel ihres wohl bekanntesten Liedes. Mit ihm beruft sich die Gruppe auf historische Persönlichkeiten der internationalen revolutionären Bewegung wie Che Guevara, Steve Biko, Samora Machel oder Túpac Amaru.

Die Zeilen dieses Liedes sowie von »Bella Ciao« wurden auch am Donnerstag von Hunderten Menschen auf dem Campo Verano, dem Hauptfriedhof Roms, gesungen, die mit erhobenen Fäusten Abschied von Sigaro nahmen. Der Sarg war mit roten Fahnen und seiner Gitarre geschmückt, zu sehen waren die Symbole der kurdischen PKK, der FMLN El Salvadors und der russischen Kommunisten. Denn »Banda Bassotti« ist seit Jahren ein Sprachrohr der internationalen revolutionären Linken. Sie spielten auf der Internationalen Buchmesse in Havanna, sangen zum Abschluss der Weltfestspiele 2013 in Ecuador und veröffentlichten eine CD mit Liedern zur Unterstützung des von Rafael Correa in dem südamerikanischen Land geführten Reformprozesses. Sie traten auf den Pressefesten der kommunistischen Parteien in Griechenland, Portugal und der Bundesrepublik auf. Jährlich organisieren sie Reisen in die Volksrepubliken des Donbass, um Hilfsgüter zu bringen und sich mit den Verteidigern in Donezk und Lugansk zu solidarisieren. Bei Maidemonstrationen in Berlin waren sie ebenso zu Gast wie bei der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt.

Zahlreiche Genossen und Weggefährten des Arbeiters, Kommunisten und Künstlers ergriffen das Wort bei der Trauerfeier. Giorgio Cremaschi, früherer Präsident der Metallarbeitergewerkschaft FIOM, der im vergangenen Jahr an der Solidaritätskarawane nach Donezk und Lugansk teilgenommen hatte, erinnerte an ein langes Gespräch, das beide im Donbass geführt hätten. »Wir sprachen über Antifaschismus und Sozialismus, und für dich gab es zwischen beiden Begriffen keinen substantiellen Unterschied.« In seiner ruhigen Art habe ihm Sigaro erklärt, dass er praktisch gleichzeitig begonnen habe, zu arbeiten, zu kämpfen, Kommunist zu sein und Musik zu machen. Er sei einfach ein »Arbeiter, der Musik macht«. Cremaschi habe ihm widersprochen, er solle nicht zu bescheiden sei. Er sei ein revolutionärer Künstler.

»Heute spüren wir die politische und moralische Verwüstung, die unserem Rückzug gefolgt ist«, sagte der kommunistische Gewerkschafter Cremaschi in seiner Rede, an den Verstorbenen gerichtet. »Aber deine Musik, die Musik von Banda Bassotti, ist nicht nur ein Echo der Kämpfe, sie ist selbst Kampf und Widerstand. Vor einigen Jahren, bevor ich euch kennenlernte, hörte ich auf einer Demonstration, wie Jugendliche ein Lied sangen, das ich sofort schön fand, das mich durch seine Worte und dadurch bewegte, mit welcher Leidenschaft es gesungen wurde. Es war ›Figli della stessa rabbia‹. Wer Musik macht, leiht nicht nur seine Stimme, sondern gibt dem Klassenkampf Kraft und Bewusstsein.«

Erschienen am 17. Dezember 2018 in der Tageszeitung junge Welt