Chávez will Krise trotzen

Obwohl die globale Wirtschaftskrise auch seinem Land zusetzt, sieht Präsident Hugo Chávez Chancen: »Je härter die Krise des Kapitalismus ist, desto sicherer und klarer wird der Weg des venezolanischen Sozialismus sein«, schrieb er vor einer Woche in seiner wöchentlichen Zeitungskolumne. Die Opposition sei mit ihren »ständigen schlechten Vorhersagen« auf ihrer »vagen Hoffnung sitzengeblieben, »daß unsere Anstrengungen darauf gerichtet sein könnten, die privilegierten Gruppen zu bevorzugen, die immer mit dem Schicksal aller Venezolanerinnen und Venezolaner gehandelt haben«, so das Staatsoberhaupt. Zuvor hatte Chávez umfangreiche Maßnahmen angekündigt, mit denen Venezuela die Folgen der Weltwirtschaftskrise auffangen will. So wurden die zu erwartenden Einnahmen aus der Erdölproduktion auf der Grundlage eines Preises von 40 US-Dollar je Faß (159 Liter) neu berechnet. Bei der Erstellung des gegenwärtigen Haushalts, als der Weltmarktpreis noch bei über 100 Dollar gelegen hatte, war man von 60 Dollar ausgegangen. Seit Monaten allerdings pendelt der Faßpreis an den Märkten zwischen 40 und 50 Dollar. Das zwingt die Regierung zu Einschränkungen.

Neben einem Verbot von als »überflüssig« bezeichneten Staatsausgaben wie Luxussanierungen öffentlicher Gebäude oder dem häufigen Neukauf von Dienstwagen sowie eines Anstiegs der im internationalen Maßstab nach wie vor geringen Inlandsverschuldung soll das Defizit durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte aufgefangen werden. Damit wird eine 2007 erfolgte Steuersenkung von 14 auf neun Prozent teilweise zurückgenommen.

Auch die Regierung weiß, daß diese Maßnahme die Menschen mit niedrigen Einkommen am härtesten trifft. Aufgefangen werden soll das durch eine zweistufige Erhöhung des Mindestlohns um 20 Prozent in diesem Jahr. Damit wird dieser Lohnstandard, an dessen Höhe sich auch die Renten und andere staatliche Leistungen orientieren, ab September je nach Wechselkurs umgerechnet zwischen 470 und 550 Euro betragen. Gut ein Drittel dieser Summe wird in Konsumgutscheinen ausgezahlt.

Ein Problem in dieser Rechnung ist die Inflation. Im vergangenen Jahr hatte die bei 30 Prozent gelegen. Auch wenn die Teuerung in den ersten Wochen dieses Jahres deutlich zurückgegangen ist, wird die Erhöhung des Mindestlohns durch sie zu einem Großteil aufgefressen werden. Deshalb hat die Regierung in ihrem Wirtschaftspaket die Ausgaben für die sozialen Missionen nicht angetastet. Die kostenlose medizinische Versorgung durch die Mission »Barrio Adentro«, die subventionierten Lebensmittelketten Mercal und ­Pdval oder die zahlreichen Bildungs- und Betreuungsprogramme kommen ebenfalls in erster Linie den Menschen mit geringerem Einkommen zugute.

Mit anderen Zahlen braucht die venezolanische Regierung auch internationale Vergleiche nicht zu scheuen. So ist die Zahl der in absoluter Armut lebenden Menschen im vergangenen Jahr nach Angaben des Nationalen Instituts für Statistik auf sieben Prozent gesunken. 1999, als Hugo Chávez sein Amt angetreten hatte, lag dieser Wert noch bei 16,6 Prozent, Mitte der 90er Jahre war er sogar zeitweilig auf 36 Prozent gestiegen.

Gerade diese Fakten sorgen dafür, daß auch mehr als zehn Jahre nach seinem Amtsantritt die Zustimmung für Chávez in der venezolanischen Bevölkerung hoch bleibt. Einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IVAD zufolge unterstützten im März 71,2 Prozent den Präsidenten. 51,7 Prozent bezeichneten die allgemeine Situation des Landes als gut. Die von Chávez geführte Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) bleibt mit 34,5 Prozent die stärkste Kraft im Land, während die wichtigsten Oppositionsparteien Primero Justicia, Un Nuevo Tiempo, Acción Democrática und Podemos nur auf Werte zwischen 1,8 und 3,8 Prozent kommen.

Erscheinen am 30. März 2009 in der Tageszeitung junge Welt