Chávez’ Drohungen

Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat bei Wahlkampfkundgebungen seiner Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) scharf kritisiert, daß linke Parteien in einigen Bundesstaaten Konkurrenzkandidaturen zu den Regionalwahlen am 23. November aufgestellt haben. Namentlich nannte der Staatschef, der auch Vorsitzender der PSUV ist, die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) und die Partei Heimatland für alle (PPT), denen er »konterrevolutionäres« Verhalten vorwarf.

Bei einer Kundgebung in Acarigua im Bundesstaat Portuguesa rief Chávez dazu auf, den früheren Tourismusminister Wilmar Castro Soteldo zum Gouverneur zu wählen. Hier unterstützen PPT und PCV jedoch Beatriz Petrizzio. »Was sie machen ist, zwei Gouverneursposten hier oder ein Bürgermeisteramt dort zu ergattern. Das ist die klassische Haltung des alten venezolanischen Parteiensystems, und das ist eine konterrevolutionäre Haltung«, sagte Chávez vor mehreren tausend Zuhörern. »Die PSUV hat sie hundertmal aufgerufen, eine einzige große Partei zu bilden, und sie haben es abgelehnt, um Parzellen und kleine Räume zu verteidigen. Und jetzt nominieren sie Kandidatinnen und Kandidaten, die das Volk manipulieren wollen«, fuhr er fort.

Die Kommunisten hatten im vergangenen Jahr nach einem eigens einberufenen Sonderparteitag darauf hingewiesen, daß die von Chávez initiierte Partei bislang weder über ein Parteiprogramm noch über Statuten verfügt. Es sei für eine marxistisch-leninistische Partei nicht möglich, sich in eine andere Organisation aufzulösen, die ihr inhaltliches Profil noch gar nicht geklärt habe, war der Tenor der von einer großen Mehrheit der Parteitagsdelegierten geteilten Haltung. Statt dessen hatte die PCV damals zunächst zur Bildung einer antiimperialistischen Front aufgerufen, die alle revolutionären Kräfte umfassen sollte.

Anfang 2008 schien Chávez anerkannt zu haben, daß der Versuch einer Vereinigung aller Parteien, die den revolutionären Prozeß unterstützen, zunächst gescheitert war. Auf seine Initiative hin schlossen sich zunächst PSUV, PPT, PCV und die kleine links-sozialdemokratische MEP zur »Patriotischen Allianz« zusammen. Bald zeigten sich jedoch erste Risse im Bündnis, und wiederholt blieben die Vertreter der PSUV den Treffen der Allianz fern. Statt dessen organisierte die Sozialistische Partei interne Vorwahlen über ihre Kandidatinnen und Kandidaten bei den Regionalwahlen und schloß kategorisch aus, auch Mitglieder anderer Parteien zu berücksichtigen.

In den meisten Bundesstaaten konnten die anderen Parteien mit den Kandidaten der PSUV durchaus leben. So gibt es in 16 der 22 Bundesstaaten tatsächlich Einheitskandidaturen des revolutionären Lagers. In den übrigen sechs Staaten jedoch gelang es nicht, zu einer Übereinkunft zu kommen, so daß es hier neben der PSUV auch zu unterschiedlich zusammengesetzten Bündnissen gekommen ist, die ihre eigenen Kandidaten aufgestellt haben.

In Trujillo verschärfte Chávez bei einer weiteren Wahlkampfkundgebung den Ton gegenüber PCV und PPT noch. »Seid keine Lügner, ihr unterstützt Chávez nicht«, rief er ihnen zu. »Ihr habt eure eigenen konterrevolutionären Pläne. (…) Ich werfe ihnen vor, Konterrevolutionäre zu sein, und sie werden von der politischen Landkarte verschwinden. Dafür werde ich sorgen, da können sie sicher sein«.

»Schon andere Regierungen haben versucht, die PCV zu beseitigen. (Die früheren Präsidenten) Raúl Leoni, Rómulo Betancourt, Carlos Andrés Pérez haben es versucht, und es ist ihnen nicht gelungen«, wies PCV-Politbüromitglied Perfecto Abreu die Angriffe des Präsidenten zurück.

Auch PCV-Generalsekretär Oscar Figuera nannte die Vorwürfe des Präsidenten »unberechtigt und billig«. Die PCV sei nicht nur Teil des Prozesses, seit Chávez 1998 zum Präsidentschaftskandidaten nominiert wurde, sondern bereits seit 1931 Teil der revolutionären politischen Kräfte auf dem Kontinent. Er warnte, daß die Angriffe des Präsidenten nicht nur in Venezuela, sondern auch international Aufmerksamkeit hervorrufen, »denn wir sind Teil der internationalen kommunistischen Bewegung«. Figuera, der auch Abgeordneter der Nationalversammlung ist, erinnerte daran, daß Chávez selbst noch am 7. Juni die verbündeten Parteien zur Einheit aufgerufen und dabei gesagt hatte, wo es nicht möglich sei, einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen, solle eben das Volk zwischen den Kandidaten entscheiden. Deshalb werde die PCV nicht nur ihre eigenen Kandidaturen in einigen Bundesstaaten und Städten aufrechterhalten, sondern auch weiter die Kandidaten anderer Parteien wie PSUV und PPT unterstützen, zu deren Wahl die Kommunisten aufgerufen hatten. Der Hauptfeind seien der Imperialismus und die Oligarchie, betonte Figuera.

Auch die PPT will den revolutionären Prozeß in Venezuela weiter unterstützen. »Unsere Haltung und unser Kampf dienen dem Aufbau eines besseren Landes, und wir haben keinen anderen Plan, Herr Präsident. Unser Plan ist es, bei der Festigung dieser Revolution zu helfen, und deshalb ist unsere Haltung revolutionär«, betonte PPT-Generalsekretär José Albornoz.

Erschienen am 15. Oktober 2008 in der Tageszeitung junge Welt