Bücher in der Festung

Die Zahlen lesen sich beeindruckend. Rund 160 Verlagshäuser aus 27 Ländern werden ab dem morgigen Freitag in der alten Festung La Cabaña über der Altstadt von Havanna ihre Bücher ausstellen. Mehr als 2400 Titel werden bei der 20. Internationalen Buchmesse in der kubanischen Hauptstadt vorgestellt, die heute mit einer feierlichen Zeremonie offiziell eröffnet wird. Allein 30 kubanische Verlage präsentieren mehr als 500 Neuerscheinungen. Zehn Tage lang werden das historische Bauwerk über dem Hafen von Havanna und zehn weitere Zentren im gesamten Stadtgebiet Schauplatz der unzähligen Lesungen, Filmvorführungen, Diskussionen und Konzerte sein, die im Rahmen der Buchmesse organisiert werden. Das Veranstaltungsprogramm umfaßt über 70 eng bedruckte Seiten, 4,5 Millionen Bücher warten auf Leserinnen und Leser. Ab dem 21.Februar geht die Buchmesse dann auf eine Tournee durch die Provinzen des Karibikstaates, bis sie am 6. März in Santiago de Cuba für dieses Jahr die Pforten schließen wird. 2010 kamen insgesamt über zwei Millionen Menschen zur Messe, was sie zum größten Kulturereignis Kubas macht.

Die Präsidentin des bei der Durchführung federführenden Kubanischen Buchinstitutes, Zuleica Romay, konnte bei einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche stolz mitteilen, daß auch rund 200 namhafte Persönlichkeiten aus 41 Ländern bei der Buchmesse zu Gast sein werden. Zu den bekanntesten gehören dabei die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú aus Guatemala und der brasilianische Befreiungstheologe Frei Betto. Die Kulturminister aus 14 Ländern werden sich in Havanna ebenso ein Stelldichein geben wie weitere hochrangige Gäste aus den Mitgliedsstaaten der Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA), denen die diesjährige Buchmesse gewidmet ist. Ein weiteres Motto der Ausstellung ist der 200. Jahrestag der ersten Unabhängigkeit Lateinamerikas und der Karibik, die in diesem Jahr in der gesamten ­Region gefeiert wird.

Die Geschichte der kubanischen Buchmesse reicht bis 1982 zurück, als im Palast der schönen Künste eine Ausstellung eröffnet wurde, die den Werken von José Martí, Nicolás Guillén und Georgi Dimitroff gewidmet war. Zwei Jahre später wurden das Hotel Habana Libre und der Pabellón Cuba, ein modernistisches Gebäude im Stadtteil Vedado, Ort einer Schau wissenschaftlich-technischer Werke, gefolgt 1986 von einer Konferenz über Kinder- und Jugendliteratur im großen Veranstaltungszentrum Palacio de Convenciones.

Erst seit dem Jahr 2000 und seither jährlich hat die Buchmesse in der Festung La Cabaña ihren heutigen Rahmen gefunden, und seit 1998 wird sie regelmäßig einem Gastland gewidmet. Den Anfang machte damals Mexiko, gefolgt zwei Jahre später von Italien und im Jahr 2001 von Spanien. Frankreich war Ehrengast 2002, ein Jahr später wurde die Messe der Andengemeinschaft und ihren damaligen Mitgliedsstaaten Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru und Venezuela gewidmet. 2004 schließlich sollte Deutschland Gast der Buchmesse sein, doch die damalige »rot-grüne« Bundesregierung boykottierte die Veranstaltung. Trotzdem war die Bundesrepublik damals mit ihrer bis dahin größten Präsenz in Havanna vertreten, da zahlreiche Verlage und Organisationen sich dem Boykott widersetzten. Das war der Beginn der jährlichen alternativen deutschen Beteiligung, die das Berliner Büro Buchmesse Havanna und die junge Welt gemeinsam mit Verlagen und Kuba-Solidaritätsgruppen arrangieren, und die auch fortgesetzt wurde, seitdem Deutschland durch die Frankfurter Buchmesse GmbH wieder »offiziell« in Havanna vertreten wurde. Auch in diesem Jahr präsentiert sich jW deshalb mit einer zweisprachigen Sonderausgabe in Havanna. Aktuell von der Buchmesse berichten wir außerdem im Internet in einem Online-Spezial sowie regelmäßig auf den Seiten dieser Zeitung.

Erschienen am 10. Februar 2011 in der Tageszeitung junge Welt