Brasilien brennt

Die gigantischen Waldbrände in Südamerika entwickeln sich zu einer globalen Krise. Vor allem Zehntausende Großfeuer im Amazonasgebiet Brasiliens und die Reaktionen der dortigen Behörden darauf haben international für Empörung gesorgt. Nach offiziellen Angaben wurden im größten Land Südamerikas zwischen Januar und August knapp 73.000 Waldbrände registriert – fast eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

»Am Amazonas hat es schon immer gebrannt, besonders in den trockenen Monaten August und September, aber diesmal brennt es sehr viel mehr«, sagte der Fotograf Araquém Alcântara, der seit vier Jahrzehnten in der Region unterwegs ist, in einem am Donnerstag vom Internetportal Brasil de Fato veröffentlichten Interview. Die vom Menschen verursachte Zerstörung der Natur sei noch nie so dramatisch gewesen wie derzeit. »Das ist ein globales Problem, eine Frage des Überlebens der Menschheit. Deshalb müssen wir Brasilianer den größten Wald der Erde verteidigen.«

Staatschef Jair Bolsonaro sieht das anders und betrachtet die Feuer als ein Problem, das nur sein Land etwas angehe. Nach Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der von einer »internationalen Krise« gesprochen hatte, warf ihm Bolsonaro vor, »eine interne Angelegenheit Brasiliens und anderer Länder der Amazonasregion zum eigenen politischen Vorteil zu instrumentalisieren«. Macron habe eine »kolonialistische Mentalität«.

Zuvor hatte der brasilianische Staatschef bereits Umweltschützer attackiert und beschuldigt. Nach Medienberichten darüber warf Bolsonaro der Presse vor, seine Äußerungen verfälscht zu haben, und legte zugleich nach: »Zu keinem Zeitpunkt habe ich die NGOs für die Feuer im Amazonasgebiet verantwortlich gemacht«, sagte er am Donnerstag (Ortszeit) in Brasília. Jeder könne hinter den Bränden stecken, »aber die Hauptverdächtigen kommen von den NGOs«. Am Mittwoch hatte er Umweltschutzorganisationen vorgeworfen, die Brände gelegt zu haben, um sich für Mittelkürzungen zu rächen und einen »Krieg« gegen seine Regierung zu führen. Diese wiesen das als »absurd« zurück. Die Brände seien die Folge einer »Politik der Umweltzerstörung und der Unterstützung für die Agrarindustrie«, sagte Camila Veiga vom brasilianischen Dachverband der Nichtregierungsorganisationen im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP.

»Das ist kein Feuer, das ist Kapitalismus«, kommentieren auch viele Nutzer in den »sozialen Netzwerken« die jüngsten Ereignisse. Dafür sprechen auch geleakte Dokumente der brasilianischen Regierung, die am Mittwoch von der Enthüllungsplattform Open Democracy veröffentlicht wurden. Nach diesen Informationen will die Regierung mehrere wirtschaftliche Großprojekte vorantreiben, die dramatische Folgen für das Ökosystem der Amazonasregion hätten. Die Aktivitäten von Umweltschützern sowie die »Mobilisierung von Minderheiten« dagegen wertet das Regime demnach als gezielte Kampagne, um die eigene Handlungsfähigkeit zu untergraben.

Die Regierung Venezuelas, das selbst mit Tausenden Feuern zu kämpfen hat, bot in einem am Donnerstag (Ortszeit) veröffentlichten Kommuniqué den Nachbarländern Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Brände und zum Schutz der indigenen Gemeinden in den betroffenen Regionen an: »Die Völker Südamerikas sind vereint durch dieses Naturwunder, das verteidigt, geschützt und durch seine eigenen Bewohner in einer Weise entwickelt werden muss, die die zerbrechliche Umwelt und ihren Wert für das Naturerbe der Menschheit schützen.«

Erschienen am 24. August 2019 in der Tageszeitung junge Welt