Bombiges Fest

Augsburg bot am ersten Weihnachtstag ein gespenstisches Bild: Menschenleere Straßen, keine Straßenbahn und kein Bus mehr unterwegs. Der Königsplatz, sonst die Drehscheibe des Nahverkehrs, still und verlassen. Mehr als 50.000 Menschen hatten ihre Wohnungen verlassen müssen, nachdem am Mittwoch bei Bauarbeiten im Stadtgebiet eine 1,8 Tonnen schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt worden war. Die Behörden ordneten vor der Entschärfung die Evakuierung in einem Umkreis von 1,5 Kilometern an.

»An einem Werktag wäre die Evakuierung ungleich schwieriger, da auch der ganze Arbeits- und Geschäftsbetrieb beeinträchtigt wäre«, begründete die Stadtverwaltung die Wahl des Termins, der bei unzähligen Menschen für Unmut sorgte. Es war eine der größten Evakuierungsaktionen in der Bundesrepublik seit Kriegsende. Altersheime und Krankenhäuser wurden geräumt, Hunderte Einwohner kamen in Notunterkünften unter. Insgesamt rund 4.000 Helfer, Sicherheitskräfte und Spezialisten waren im Einsatz.

Über den Stand der Dinge wurden die Betroffenen über die lokalen Rundfunk- und Fernsehsender sowie im Internet auf dem Laufenden gehalten. Unschöne Kommentare gab es allerdings in den »sozialen« Netzwerken, wo Neonazis versuchten, ihr Süppchen zu kochen, und über den »britischen Bombenterror« wetterten. Harald Munding, Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) in Augsburg, wies das gegenüber junge Welt zurück. Die gefundene Bombe sei ein spätes Erbe des verbrecherischen Naziregimes, das Europa in den Krieg gestürzt habe. Die Linkspartei ihrerseits dankte den Hilfskräften und forderte als »guten Vorsatz« im kommenden Jahr: »Mehr Anerkennung für Berufe im Sozial- und Gesundheitswesen.«

Erschienen am 27. Dezember 2016 in der Tageszeitung junge Welt