junge Welt, 26. Januar 2019

Berlin putscht mit

Die Bundesregierung hat sich am Freitag für eine Anerkennung des venezolanischen Putschisten Juan Guaidó als »Übergangspräsidenten« des südamerikanischen Landes ausgesprochen. »Die Bundesregierung spricht sich im Rahmen der anstehenden EU-Beratungen dafür aus, Juan Guaidó als Interimspräsident des Landes anzuerkennen, sofern es nicht umgehend zu freien und fairen Wahlen kommt«, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Und auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat sich bei seinem USA-Besuch von den Gastgebern einnorden lassen. »Bezüglich Venezuela sind wir nicht neutral«, schrieb er auf Twitter. »Wir stehen an der Seite der vom Volk gewählten Nationalversammlung. Maduro ist kein demokratisch legitimierter Präsident.«

Damit übernimmt die Bundesregierung die Rolle eines Scharfmachers, nachdem es die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Vortag vermieden hatte, eine solche Anerkennung auszusprechen. Auch die spanische Regierung hat sich inzwischen der deutschen Linie angeschlossen. Wie das Onlineportal eldiario.es am Freitag meldete, will Madrid der EU vorschlagen, Maduro eine Frist zu setzen, in der er Neuwahlen durchführen solle. Ansonsten werde man »weitere Maßnahmen« ergreifen, zu denen auch die Anerkennung Guaidós gehöre.

Der seit dem 5. Januar als Parlamentspräsident amtierende Politiker der ultrarechten Partei »Volkswille« (VP, Voluntad Popular) hatte sich am Mittwoch während einer Oppositionskundgebung selbst zum Staatschef erklärt. Ziel seien die Bildung einer Übergangsregierung und Neuwahlen. Unmittelbar danach wurde er von den USA und einer Reihe südamerikanischer Staaten als neuer Präsident Venezuelas anerkannt. Mexiko und Uruguay erklärten dagegen, dass Maduro der rechtmäßige Staatschef bleibe und boten sich als Vermittler zwischen den Konfliktparteien in Venezuela an. Maduro akzeptierte das am Donnerstag (Ortszeit) während einer Zeremonie im Obersten Gerichtshof. »Ich bin einverstanden mit einer diplomatischen Initiative für nationalen Dialog in Venezuela, ich bin bereit zum Dialog und zur Verständigung.« Zugleich verurteilte er erneut den von den USA angeführten Putschversuch gegen seine Regierung.

In der lateinamerikanischen Presse war die relativ zurückhaltende Haltung der EU von Beobachtern gelobt worden. Der spanische Politologe Carlos Malamud etwa sagte der kolumbianischen Zeitung El Tiempo, es sei positiv, »dass Europa versucht, Kanäle offenzuhalten, denn die Lage ist sehr instabil und der Ausgang unsicher«. Diese Haltung teilen auch viele Mitglieder in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Dort fand sich am Donnerstag (Ortszeit) keine Mehrheit für eine Anerkennung Guaidós, obwohl US-Außenminister Michael Pompeo persönlich zu der Sitzung erschienen war, um auf die vertretenen Botschafter einzuwirken.

Russland, China, der Iran, die Türkei und die Staaten der Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA) – unter anderem Kuba, Bolivien und Nicaragua – haben sich eindeutig gegen den Staatsstreich positioniert. In einem Telefongespräch mit seinem venezolanischen Amtskollegen versicherte der russische Präsident Wladimir Putin der rechtmäßigen Regierung angesichts der von außen provozierten Verschärfung der innenpolitischen Situation seine Unterstützung. Er sprach sich für eine Lösung im Rahmen der venezolanischen Verfassung und eine Beilegung der Differenzen durch friedlichen Dialog aus.

Erschienen am 26. Januar 2019 in der Tageszeitung junge Welt