Ausnahmezustand

Angesichts anhaltender Proteste gelingt es den Putschisten in Honduras immer weniger, den Anschein von Legalität aufrechtzuerhalten. Am Mittwoch (Ortszeit) verhängte das Parlament in Tegucigalpa mit den Stimmen von vier der fünf Fraktionen den Ausnahmezustand über das zentralamerikanische Land. Zudem wurden die in der Verfassung garantierten Grundrechte aufgehoben. Nur die linke Partei »Demokratische Vereinigung« (UD) votierte dagegen.

Wie die UD-Abgeordnete Silvia Ayala gegenüber dem lateinamerikanischen Nachrichtensender TeleSur erklärte, wurden u. a. die Vereinigungsfreiheit, die Unverletzbarkeit der Wohnung, die Bewegungsfreiheit und das Verbot willkürlicher Verhaftungen aufgehoben. »Das heißt, daß nun jeder Honduraner zu jeder Zeit verhaftet werden darf, Militärs dürfen gewaltsam in seine Wohnung oder in jeden anderen Aufenthaltsort eindringen, ohne ihm auch nur mitteilen zu müssen, warum er festgenommen wird«, so Ayala weiter. Die Abgeordnete informierte weiterhin darüber, daß auf Befehl der Putschisten der wenige Tage vor dem Staatsstreich bei einem Attentat durch Schüsse schwer verletzte linke Bürgermeisterkandidat von Tocoa, Favio Ochoa, aus dem Krankenhaus verwiesen wurde, obwohl er in Lebensgefahr schwebte.

Für Samstag ist ihren Angaben zufolge eine weitere Großdemonstration der Putschgegner in der Hauptstadt Tegucigalpa geplant, um den verfassungsmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya zu begrüßen. Dieser hatte seine ursprünglich für Donnerstag geplante Heimkehr um zwei Tage verschoben, um das am heutigen Freitag ablaufende Ultimatum der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) an die Putschisten abzuwarten. Dieses verlangt die Wiederherstellung der »demokratischen Ordnung« in Honduras.

Ausländische Fernsehsender wie TeleSur oder das kubanische Cubavisión Internacional werden in Honduras weiterhin zensiert. Einige alternative Rundfunksender, die vom Militär besetzt worden sind, konnten mittlerweile ihre Sendungen aus dem Untergrund und vor allem über Internet wieder aufnehmen, sind aber von den Menschen im Land selbst kaum zu empfangen. Die von den Putschisten kontrollierten Medien versuchen hingegen den Eindruck zu erwecken, daß das Regime international immer mehr akzeptiert werde. So meldete die Tageszeitung El Heraldo auf ihrer Homepage unter der Überschrift »Gute Nachricht«, daß die Botschaften von Israel und Taiwan »die neue Regierung von Roberto Micheletti anerkannt« haben.

Zudem bemerkte das Blatt eine neue Tendenz in der westlichen Berichterstattung über Honduras. »Die internationalen Medien haben begonnen, Micheletti als verfassungsmäßigen Präsidenten anzuerkennen, im Gegensatz zu den vorherigen Tagen, als erklärt wurde, daß das Land einen Staatsstreich erlitten habe«, so El Heraldo. In der Tat ist zu bemerken, daß die großen Agenturen bei Berichten über Aktionen der Putschgegner oft nur Fotos von kleinen, vermummten Gruppen auswählen, die sich gewaltsam gegen Übergriffe des Militärs wehren. Auf der anderen Seite werden die Putschisten als ehrenwerte Politiker und ihre Unterstützer in großen, friedlichen Demonstrationen dargestellt.

Die Mitgliedsstaaten der EU haben unterdessen nach Angaben des spanischen Außenministers Miguel Angel Moratinos beschlossen, ihre Botschafter aus Honduras abzuberufen. Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien und die Europäische Kommission sind deshalb in Honduras künftig nur noch durch Geschäftsträger vertreten. Im Gegensatz zu den Mitgliedsstaaten der bolivarischen Allianz ALBA und anderer Länder Lateinamerikas stand ein vollständiger Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Honduras in der EU jedoch offenbar nicht zur Debatte.

Erschienen am 3. Juli 2009 in der Tageszeitung junge Welt