Augsburger des Tages: Bertolt Brecht

Augsburg veranstaltet jährlich ein »Brechtfestival«, um mit der Tatsache, dass Bertolt Brecht 1898 in der Stadt am Lech geboren wurde, den Tourismus anzukurbeln. Das war nicht immer so: Noch heute erzählt man sich, wie die Honoratioren der Stadt Brecht einmal mit einem Kranz ehren wollten – und das Gebinde prompt an der falschen Haustür ablegten, weil keine Gedenktafel an den Dichter erinnerte.

Wie gesagt, diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen stehen an allen Ecken der Stadt Figuren, die Brecht darstellen sollen. Und am 23. Februar beginnt wieder das Brechtfestival. Diesmal heißt das Motto »Egoismus versus Solidarität«. Das Programm soll »die Gegenwart mit Brecht und Brechts Werk mit der Gegenwart konfrontieren«, kündigte Festivalleiter Patrick Wengenroth an. »Aktueller könnte dieses Thema kaum sein«, sagte Augsburgs Kulturreferent Thomas Weitzel am Dienstag.

Recht hat er. Man könnte zum Beispiel den rasanten Mietsteigerungen in Augsburg Brechts »Resolution der Kommunarden« entgegenstellen: »In Erwägung, dass da Häuser stehen, während ihr uns ohne Bleibe lasst, haben wir beschlossen, dort jetzt einzuziehen, weil es uns in unseren Löchern nicht mehr passt.« Oder Solidarität mit den gegen den Egoismus der Unternehmer kämpfenden Beschäftigten von Ledvance und Amazon? »Ihr versteht: Ich meine, dass wir keine andern Herren brauchen, sondern keine!«

Nein, so weit geht die Wertschätzung dann doch nicht. Schon 2008 durfte Daniel Kehlmann in Augsburg verkünden, »welches Glück« wir alle hätten, »dass die Welt nicht so geworden ist, wie er sie sich gewünscht hat«. Denn dann würde es unter anderem keine freie Wahlen geben … Freie Wahlen? In Bayern? Der war gut … Wir reden schließlich von dem Freistaat, in dem heute noch Bewerber unterschreiben müssen, dass sie keinen linken Vereinigungen angehören.

Erschienen am 13. Dezember 2017 in der Tageszeitung junge Welt