Auftakt in Oslo

In Oslo sind am Donnerstag offiziell die Friedensverhandlungen zwischen den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens – Armee des Volkes (FARC-EP) und der kolumbianischen Regierung eröffnet worden. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in der norwegischen Hauptstadt stellten die beiden Delegationen ihre noch deutlich voneinander abweichenden Standpunkte vor. Zuvor hatten sie jedoch ein gemeinsames Kommuniqué veröffentlicht, das am Vorabend hinter verschlossenen Türen ausgehandelt worden war. Darin wird angekündigt, daß die beiden Seiten bei ihrer ersten Gesprächsrunde ab dem 15. November in Havanna die Frage einer gerechteren Landverteilung in dem südamerikanischen Land behandeln wollen. Sprecher der beiden Seiten wollen bereits zehn Tage früher am selben Ort zusammenkommen, um das Treffen vorzubereiten. Die Landfrage gilt als Schlüsselthema für eine Beendigung des Bürgerkrieges, denn der Terror der Großgrundbesitzer gegen die Bauern war in den 60er Jahren der Auslöser für die Entstehung der Guerilla gewesen.

Die Aufständischen und das Regime des kolumbianischen Staatschefs Juan Manuel Santos hatten im August für eine Überraschung gesorgt, als sie darüber informierten, daß die beiden verfeindeten Parteien seit Monaten in der kubanischen Hauptstadt zusammengesessen hatten, um die Grundlagen für die Verhandlungen festzulegen. Zustandegekommen waren diese Vorgespräche offenbar durch die Vermittlung Kubas und Norwegens als Garanten sowie Venezuela und Chile als Unterstützer dieses schwierigen Prozesses. Havanna erklärte dazu, man werde auch weiterhin »mit Diskretion und Verbindlichkeit« handeln und zeigte sich befriedigt darüber, gemeinsam mit der norwegischen Regierung »diesen für Kolumbien und die Karibik so bedeutenden Prozeß« als Garantiemacht mittragen zu können.

In den Tagen vor dem offiziellen Verhandlungsauftakt mußten noch zahlreiche Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. So wurden die internationalen Haftbefehle, die gegen führende Mitglieder der FARC erlassen worden waren, aufgehoben, damit diese als Verhandlungsdelegation nach Oslo reisen konnten. Bei der Pressekonferenz zeigte sich ihr Comandante José Santrich enttäuscht darüber, daß Bogotá einen Waffenstillstand zu diesem Zeitpunkt ablehnt: »Die Regierung Kolumbiens sagt, daß sie dies am Ende tun wird. Offenbar brauchen sie noch ein paar mehr Tote und Verletzte. Was wir wollen, ist, uns allen Blut und Leiden zu ersparen.« Die FARC seien auch bereit, über ein definitives Ende des bewaffneten Kampfes zu sprechen. Ein solcher Schritt müsse jedoch beidseitig sein: »Wenn sich der kolumbianische Staat verändert, die Bedingungen dafür geschaffen werden und ein neues Kolumbien entsteht, werden die Waffen überflüssig.«

Noch am Montag hatten die FARC für eine Überraschung gesorgt, als sie in einem Kommuniqué mitteilten, daß mit Zustimmung Bogotás Tanja Nijmeijer, eine 1978 in den Niederlanden geborene Kämpferin der FARC, die sich 2002 der Guerilla angeschlossen hatte und in dieser als »Alexandra« bekannt ist, der Verhandlungsdelegation angehören wird. Sie repräsentiere die »internationale Solidarität mit dem Kampf des Volkes«, sagte Santrich bei der Pressekonferenz.

Während Iván Márquez, einer der bekanntesten Vertreter der Guerilla, in Oslo noch einmal betonte, daß für einen dauerhaften Frieden in Kolumbien grundlegende Veränderungen der sozialen Verhältnissen und der Wirtschaftsordnung in dem südamerikanischen Land notwendig seien, wies der Vertreter Bogotás, der einstige Vizepräsident Humberto de La Calle, solche Vorstöße zurück. Das Wirtschaftsmodell oder die Doktrin des Militärs seien kein Bestandteil des Verhandlungsprogramms: »Unsere Delegation hat nicht vor, irgendjemanden zu überzeugen, und sie werden uns nicht überzeugen. Das Ziel ist lediglich, daß man keine Politik mit Waffen machen kann.«

Erschienen am 20. Oktober 2012 in der Tageszeitung junge Welt