Aufruhr in Honduras

Hohe Flammen schlugen am Freitag (Ortszeit) aus dem Eingangsbereich der US-Botschaft in Tegucigalpa. Am Rande einer Großdemonstration gegen die Regierung hatten Vermummte die diplomatische Vertretung in der Hauptstadt von Honduras attackiert. Die Feuerwehr konnte den Brand schnell löschen, das Gebäude selbst blieb unversehrt. Ein Verdächtiger wurde festgenommen.

Sprecher der Demonstranten machten eingeschleuste Provokateure für die Attacke auf die Botschaft verantwortlich. Beim linken Internetportal Redvolución aus dem benachbarten Nicaragua war sogar von einem »Selbstanschlag« die Rede, der auf das Konto der USA und der honduranischen Regierung gehe. Man wolle so ein militärisches Eingreifen Washingtons auf seiten des Regimes in Tegucigalpa rechtfertigen, wird vermutet. Auf Facebook wurden Fotos verbreitet, die die mutmaßlichen Angreifer vor dem Zwischenfall im vertrauten Gespräch mit Einsatzkräften zeigen sollen. In einer Presseerklärung räumte auch die Polizei am Freitag ein, dass es »Infiltrierte« in den Demonstrationen gebe. Man werde deshalb konsequent alle Kundgebungen auflösen, bei denen sich nicht an die vorgegebenen Regeln gehalten werde, heißt es in dem Kommuniqué. Wer die Provokateure sind, wurde in der Stellungnahme allerdings nicht ausgeführt.

Zehntausende Menschen waren in der vergangenen Woche in mehreren Städten Honduras‘ gegen Staatschef Juan Orlando Hernández auf die Straße gegangen. Vor allem Ärzte und Krankenschwestern sowie Lehrkräfte und Dozenten der Schulen und Hochschulen legten die Arbeit nieder, die Studierenden boykottierten die Vorlesungen. Anlass für die Proteste ist die geplante Privatisierung von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, für die Staatschef Hernández per Dekret den Weg geebnet hat.

Wie der Rundfunksender Radio Progreso berichtete, war es dabei bereits am Donnerstag zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen, als die Beamten den Protestmarsch am Flughafen von Tegucigalpa mit Tränengas attackierten. Während Ärzte und Lehrer versuchten, die Demonstration fortzusetzen, griffen vor allem jüngere Teilnehmer die Polizeiketten mit Steinen an. Der Flugbetrieb musste für Stunden eingestellt werden, weil sich Passagiere vor den Tränengasschwaden auf das Rollfeld flüchteten. Auch in anderen Städten gingen die Einsatzkräfte gewaltsam gegen die Demonstranten vor. In Siguatepeque wurde ein streikender Lehrer von einem Geschoss der Polizei getroffen und schwer verletzt, wie die Menschenrechtskommission Cofadeh informierte. Am Sonnabend meldete die oppositionelle »Breite Bewegung für Würde und Gerechtigkeit«, dass in Guadalupe Carney ein Mensch von der Polizei ermordet worden sei. Drei weitere Demonstranten seien verletzt worden, als die Einsatzkräfte gegen eine Kundgebung vorgegangen seien.

Ein Ende der Proteste ist trotzdem nicht abzusehen. Wie das Internetportal Hondudiario.com am Wochenende berichtete, wollen sich die Angestellten des Sozialversicherungsinstituts am heutigen Montag dem Ausstand anschließen. Man habe die Aktionen der Kollegen in den vergangenen Wochen solidarisch verfolgt, nun sei es aber an der Zeit, sich auch selbst daran zu beteiligen, erklärte ein Gewerkschaftssprecher. Der Fernsehsender UNE-TV sah aufgrund der Proteste bereits das »orlandistische Regime« wanken.

Die USA stellten sich in einem Kommuniqué ihrer Botschaft auf die Seite des Regimes. Man sei ein »Freund und Verbündeter der Regierung und des Volkes von Honduras«, hieß es in der Stellungnahme. Man rufe »alle Seiten« zum Verzicht auf Gewalt auf, man müsse »gemeinsam« für eine »demokratische Zukunft« arbeiten. Der Kolumnist Germán Van de Velde wertete das am Sonnabend auf Redvolución als Beleg für die Doppelzüngigkeit Washingtons. Während man sich in Honduras für einen Dialog zwischen Regierung und Zivilgesellschaft ausspreche, habe man im vergangenen Jahr in Nicaragua offen die Opposition unterstützt und zur Fortsetzung der Proteste aufgerufen.

Auch Venezuelas Regierung meldete sich zu Wort. In einem am Sonnabend veröffentlichten Kommuniqué ruft das Außenministerium die honduranische Regierung auf, die Forderungen des Volkes aufzugreifen und die Menschenrechte der Demonstranten zu wahren. Dazu gehöre die sofortige Beendigung des unverhältnismäßigen Einsatzes von Gewalt gegen die Protestierenden.

Erschienen am 3. Juni 2019 in der Tageszeitung junge Welt